Verbraucher werden durch Scoring-Punkte in Klassen eingeteilt. Die meisten wissen das nicht einmal

Sie eröffnen ein Konto? Sie leasen ein Auto? Sie bestellen Hemden im Internet oder Sie wechseln den Mobilfunkanbieter und glauben, das alles ginge nur Sie etwas an? Weit gefehlt. Denn die kleinen Rädchen der Berechnung laufen im Hintergrund. Bei allem, was Verbraucher tagtäglich tun, werden ihre Daten gesammelt, gespeichert und ausgewertet. Alles Tun wird gerastert und durch mathematisch komplizierte Verfahren hochgerechnet zu einem Punktwert, der darüber entscheidet, ob ein Kunde kreditwürdig ist, welchen Zinssatz er bezahlen muss oder ob er beim Versandhaus auf Rechnung bezahlen kann. Scoring heißt das Verfahren, das Banken, Mobilfunkanbieter, Vermieter und Versandhäuser in zunehmendem Maß zur Bewertung von Verbrauchern einsetzen.

Dabei ist es - sehr zum Unmut von Verbraucher- und Datenschützern - meist vollkommen unklar, aus welchen Daten sich der Scorewert eines Kunden zusammensetzt. "Wir haben noch kein Scoring-Verfahren vollkommen offen gelegt bekommen", sagt Meike Kamp, Referatsleiterin für Datenschutz in der Wirtschaft des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Kiel. "Die Auskunfteien berufen sich auf ihr Geschäftsgeheimnis." Das ist verständlich, denn der Markt mit den Verbraucherdaten boomt. Auskunfteien dürfen an Unternehmen, die ein berechtigtes Interesse an einer Überprüfung der Bonität ihrer Kunden haben, Scoring-Daten weitergeben. Berechtigtes Interesse haben alle Unternehmen, die mit ihrer Dienstleistung oder Lieferung in Vorleistung gehen und damit ein wirtschaftliches Risiko tragen. Allen voran natürlich die Banken, die vor der Vergabe von Krediten ihr Risiko möglichst absichern wollen.

433 Millionen Daten über 65 Millionen Menschen

Neben einem internen Scoring-Verfahren, bei dem bereits 30 bis 50 Einzelinformationen der Kunden auf dem Kreditantrag abgefragt werden (etwa Angaben zu Familienstand, Beruf, Anzahl der Kinder, Wohnort, etc.), holen Banken immer auch eine so genannte Schufa-Auskunft ein. 4500 Vertragspartner rufen bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) regelmäßig Daten ab und melden auch neue hinzu. Nach Auskunft der Schufa sind dort insgesamt 433 Millionen Daten über 65 Millionen Menschen in Deutschland gespeichert - das sind quasi alle über 18-Jährigen. "Anders als einige Mitbewerber speichert die Schufa aber keine Daten wie die Wohngegend, Nationalität, Einkommen oder Vermögen", sagt Schufa-Sprecher Andreas Lehmann.

Doch genau diese so genannten soziodemografischen Daten, die einige Auskunfteien in ihre Scores einrechnen, sind es, die Verbraucherschützer aufbringen. "Willkür und Intransparenz" wirft der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) der deutschen Kreditwirtschaft vor, die durch den Einsatz pauschaler Scoring-Verfahren Kunden in Schubladen steckten - allein durch Kriterien wie Adresse, Alter, Familienstand oder Beruf. Zu Tage brachte dies eine vom vzbv in Auftrag gegebene Scoring-Studie, bei der 20 Personen losgeschickt wurden, um einen Kleinkredit zu bekommen. "Das Ergebnis war erschütternd", sagt der Leiter des sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts für Grundlagen- und Programmforschung, Dieter Korczak, der die Studie betreute. "In den meisten Fällen wurden die Testpersonen noch nicht einmal über den Einsatz der Scoring-Verfahren informiert." Damit befanden sie sich in guter Gesellschaft, denn nach Angaben des vzbv wissen rund 85 Prozent der Verbraucher nicht einmal, was sich hinter dem Begriff Scoring verbirgt. Die Tester bekamen aufgrund der mathematischen Berechnung schlechtere Zinskonditionen als die, mit denen die Banken warben. Ein neuer Gesetzentwurf soll immerhin solche Lockvogelangebote zukünftig verbieten. "Scoring ist ein übler Marketingtrick, um höhere Kreditzinsen durch scheinbar wissenschaftliche Verfahren zu legitimieren", ist Korczak überzeugt.

Der Wissenschaftler bemängelt vor allem die Undurchsichtigkeit der Verfahren. Das soll sich mit der Novelle des Datenschutzgesetzes verbessern, die noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. "Momentan herrscht da ein ziemlicher Wildwuchs", sagt Datenschützerin Kamp. Zweifel am neuen Gesetz bleiben ihr: "Durch die Interventionen der Interessengemeinschaften wurde der Gesetzentwurf schon wieder verwässert."


Achtung: Ihre Daten werden ausgewertet

Das können Sie tun

Gespeicherte Daten überprüfen: Jeder Verbraucher hat das Recht zu wissen, welche Daten über ihn gespeichert sind. Bei allen Auskunfteien (z.B. Schufa, Bürgel, Creditreform) gibt es so genannte Selbstauskünfte, die eingeholt werden können. In der Regel kosten sie allerdings mindestens die Verwaltungsgebühren. Bei der Schufa sind das zurzeit 7,80 Euro. Kostenlos ist bei der Schufa der Blick in den eigenen Datensatz direkt in Servicestellen des Unternehmens. Infos unter www.meineschufa.de

Nachfragen im Gespräch: Kunden sollten im Gespräch immer nachhaken, wie eine Entscheidung zustande kommt und wie sich der Scorewert errechnet. Die Ablehnung einer Kreditanfrage ausschließlich aufgrund einer automatisierten Entscheidung ist laut Datenschutzgesetz verboten - auch wenn Bankberater oft anderes sagen. Beschweren können sich Verbraucher über nicht nachvollziehbare Entscheidungen bei den Verbraucherzentralen oder den Datenschutzbeauftragten der Länder.

Vorsicht bei Kreditanfragen: Interessiert sich ein Verbraucher für einen Kredit und erkundigt sich bei verschiedenen Instituten nach den besten Zinsen, sollte er darauf bestehen, dass es sich nur um eine Konditionenabfrage handelt und nicht um eine Kreditanfrage. Mehrere Kreditanfragen wirken sich bereits wieder negativ auf den Scorewert aus.