ELLEN PASCHKE ist im Bundesvorstand von ver.di zuständig für Gesundheitspolitik

ver.di PUBLIK | Im September noch brachten ver.di und andere Organisationen aus dem Krankenhausbereich 130000 Menschen auf die Straße, um gegen die desolate Lage der deutschen Kliniken zu protestieren. Von "historischer Größe" war im Zusammenhang mit der Berliner Demonstration die Rede. Womit will das Bündnis nachlegen?

ELLEN PASCHKE | Das Bündnis ruft zu einem bundesweiten Protesttag der Krankenhäuser am 18. November 2008 auf. Das ist die Woche vor den entscheidenden Beratungen im Bundestag. Der Unmut in den Krankenhäusern ist groß. Deshalb rechne ich mit einer hohen Beteiligung. Durch die ver.di-Kampagne "Der Deckel muss weg!" und das Aktionsbündnis zur Rettung der Krankenhäuser sind viele neue Kontakte und Netzwerke entstanden. Die können Druck machen und werden auch im Bundestagswahljahr 2009 aktiv.

ver.di PUBLIK | Der Bund stellt den Kliniken nun eine Finanzspritze von drei Milliarden in Aussicht. Wird das Geld genügen, damit auf den Stationen wieder alles rund läuft?

PASCHKE | Das ist natürlich schon was, aber es klingt nach mehr, als es tatsächlich ist. Von den drei Milliarden sind nur 1,8 zusätzlich. Der Rest steht den Kliniken nach dem alten Recht bereits zu und wird durch die Steigerung der Energie- und Sachkosten aufgefressen. Eine gewisse Entlastung für die Krankenhausbudgets bringt es schon, aber von den notwendigen 6,7 Milliarden Euro ist das weit entfernt. Ich befürchte, dass dieses Geld die Belastung der Kolleginnen und Kollegen kaum mildert.

ver.di PUBLIK | Die Länder weigern sich bislang, ihren Investitionspflichten nachzukommen. Moderne Operationssäle können deshalb nicht gebaut werden, Bettenhäuser verfallen. Was will ver.di tun, um die Länder zum Zahlen zu bewegen?

PASCHKE | Wir werden den Druck auf die Länder verstärken, zum Beispiel dadurch, dass wir die dramatischen Folgen deutlich machen: Es kann nicht sein, dass Geld, das von den Krankenkassen kommt, massenhaft zweckentfremdet wird, um damit die dringendsten Investitionen zu bezahlen. 17000 Stellen sind auf diese Weise bereits verloren gegangen.

ver.di PUBLIK | Was muss geschehen, damit das Personal seine Patienten angemessen versorgen kann?

PASCHKE | Der Arbeitsdruck ist unerträglich geworden. Er darf nicht weiter steigen. Wir brauchen mehr Personal im Kran- kenhaus. Dafür wollen wir Regeln durchsetzen. Wenn eine Patientin einen hohen Pflegebedarf hat, muss das auch in den Preis für die Krankenhausleistung eingehen. Das ist heute nicht so. Ein gerechterer Preis allein ist aber noch kein Fortschritt für die Patientin. Es muss auch sichergestellt werden, dass dafür wirklich mehr Personal am Bett steht.