Experten gehen davon aus, dass die Bundesagentur für Arbeit im Herbst ihre Reserven aufgebraucht haben wird. Die Krise führt zu höheren Ausgaben und geringeren Einnahmen

In Krisen braucht auch die Bundesagentur einen anderen Plan

VON HEIKE LANGENBERG

Die Zahl der Kurzarbeiter/innen steigt von Monat zu Monat. Dieses Instrument hilft, den Arbeitsmarkt im Moment trotz der Wirtschaftskrise noch relativ stabil zu halten. Expert/innen gehen davon aus, dass viele Unternehmen erst nach der Bundestagswahl öffentlich machen werden, wie viele Stellen bei ihnen tatsächlich auf der Kippe stehen.

Finanziert wird diese Entgeltersatzleistung von der Bundesagentur für Arbeit. Damit und mit der drohenden steigenden Arbeitslosigkeit steht sie vor großen finanziellen Herausforderungen. Dennoch ist der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 1975. Ab 2007 wurde der langjährige Beitragssatz von 6,5 Prozent stufenweise auf derzeit 2,8 Prozent gesenkt. Bis 2010 ist er im Sozialgesetzbuch III auf dieser Höhe festgeschrieben. Der Beschluss dazu erfolgte im Herbst 2008, als die Krisenzeichen bereits klar erkennbar waren.

Trotz des niedrigen Beitragssatzes war es der Bundesagentur für Arbeit nach eigenen Angaben im Jahr 2008 noch gelungen, einen Überschuss von einer Milliarde Euro zu erwirtschaften. Ihr Vorstandsvorsitzender Frank Weise hat zum Jahreswechsel angegeben, dass die Bundesagentur zu jenem Zeitpunkt mit Rücklagen aus den vergangenen Jahren insgesamt über Reserven in Höhe von rund 17 Milliarden Euro verfüge. Bereits einen Monat später wies er jedoch in einer Pressemitteilung darauf hin, dass dieser Überschuss Mitte 2010 bereits aufgebraucht sein könnte. Dafür machte er die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich. Die steigende Zahl an Arbeitslosen und Kurzarbeiter/ innen führt nicht nur zu steigenden Ausgaben, sondern auch zu geringeren Einnahmen.

Auch durch das Konjunkturpaket II kommen auf die Arbeitsagenturen wachsende und zu bezahlende Aufgaben zu, zum Beispiel durch die Übernahme der Sozialbeiträge ab dem siebten Monat der Kurzarbeit, auch dann, wenn keine Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Daher hat der Verwaltungsrat bereits im Februar einen Nachtragshaushalt beschlossen, der das zu erwartende Defizit von rund zehn Milliarden Euro aus den Rücklagen finanziert.

Zugleich forderte der Verwaltungsrat die Bundesregierung auf, die Mehrbelastung durch die Krise aus Steuermitteln zu finanzieren. Bislang ist die Arbeitslosenversicherung beitragsfinanziert, für beitragsfremde Aufgaben erhält die Bundesagentur einen Zuschuss des Bundes in Höhe von einem Punkt der Mehrwertsteuereinnahmen.

Nach dem aktuellen Haushaltsplan wird sich die finanzielle Rücklage auf rund eine halbe Milliarde Euro redu-zieren. Bislang ist vorgesehen, dass die Bundesagentur eine Art Kredit beim Bund aufnehmen muss, wenn ihre eigenen Finanzmittel zur Finanzierung der laufenden Ausgaben nicht mehr ausreichen.

Mehr Steuermittel

"Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind über Konjunkturzyklen hinaus solide zu finanzieren", sagt Elke Hannack, im ver.di-Bundesvorstand für die Sozialpolitik zuständig. Jede andere Politik bereite den Kahlschlag der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vor. Um die Binnenkonjunktur und damit die Wirtschaft anzukurbeln, sei es notwendig, die Beschäftigten zu entlasten - "nicht zu Lasten der Sozialkassen, sondern über Steuermittel, finanziert durch gerechte Besteuerung der Unternehmen und Einkommensmillionäre", sagt die Gewerkschafterin.

Das ist auch Bestandteil des Konjunkturpakets III, das ver.di seit dem Frühjahr 2009 fordert. Sein Kernpunkt: Investitionen von 100 Milliarden Euro jährlich bis 2011, damit neue Arbeitsplätze entstehen.