ver.di München machte sich mit einem Protestaufruf gegen ein Rekrutengelöbnis nicht nur Freunde

Der Aufschrei war groß, als der ver.di-Bezirksvorstand München zum Protest gegen das öffentliche Rekrutengelöbnis am 30. Juli auf dem Marienplatz aufrief. Staatskanzleichef Siegfried Schneider (CSU) sprach im Münchner Merkur von einem Skandal: "Einer Gewerkschaft, die vorgibt, für die Interessen des öffentlichen Dienstes einzutreten, sollte etwas anderes einfallen, als Menschen, die Dienst an der Gesellschaft leisten, der Verachtung preiszugeben."

In einem offenen Brief hatte der ver.di-Bezirksvorstand Position bezogen. "Während der Bundeswehreinsatz in Afghanistan immer offensichtlicher zum Kriegseinsatz wird, versuchen die Militärverantwortlichen, die schwindende Zustimmung in der Bevölkerung durch solche öffentlichen Gelöbnisse zu übertünchen", erklärte ver.di-Bezirksgeschäftsführer Heinrich Birner.

Der Vorsitzende des DGB-Bezirks Bayern, Fritz Schösser, ging daraufhin auf Distanz zu ver.di. Er sagte dem Merkur, man solle heute "nicht mehr die Gefechte von vor 30 Jahren führen". Zwar dürfe es die Bundeswehr mit den Gelöbnissen "nicht übertreiben, aber die Soldaten sollten das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie Teil unserer Demokratie sind". Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte nach Absprache mit Generalmajor Gert Wessels den Marienplatz für die Zeremonie freigegeben. Der Stadtrat wurde erst anschließend ersucht, das Militärspektakel zu begrüßen - was er mehrheitlich auch tat.

Die ver.di-Satzung formuliert als gewerkschaftliche Aufgabe auch die "Auseinandersetzung mit und Bekämpfung von" u. a. "militaristischen Einflüssen". Daher wollte ver.di eine kritische Öffentlichkeit herstellen, was mit prominenter Unterstützung gelang. Zu den Kritikern des Gelöbnisses zählten der Regisseur Michael Verhoeven und der ehemalige Münchner Bürgermeister Klaus Hahnzog. ver.di-Aktive spannten ein Transparent mit dem Tucholsky-Zitat "Jubel über militärische Schauspiele ist eine Reklame für den nächsten Krieg" in der Fußgängerzone auf.

Die Debatte mit anderen Gewerkschaften über den zukünftigen Umgang mit öffentlichen Militärspektakeln steht noch aus. Die Soldaten selbst organisieren sich mehrheitlich eher beim Bundeswehrverband als bei ver.di, sagt der Vorsitzende der kritischen Soldatenvereinigung Darmstädter Signal, Oberstleutnant a. D. Helmuth Prieß, der selbst ver.di-Mitglied ist: "Wer sich für ver.di entscheidet, gehört von Haus aus eher zu den kritischen Persönlichkeiten."

CLAUDIA WANGERIN