Die Leiharbeit wird auch nach der Krise wieder boomen. Daher muss die kommende Bundesregierung die meist schlechten Bedingungen endlich verbessern

VON HEIKE LANGENBERG

Vor fünf Jahren hat die rot-grüne Bundesregierung die Leiharbeit dereguliert. Seither können sich Unternehmen unbefristet Leiharbeitnehmer/innen ausleihen. Das hat zu einem starken Anstieg der Zahl der überlassenen Arbeitnehmer/innen geführt. Knapp 800 000 waren es Mitte 2008, hat der DGB in seiner Stellungnahme "Leiharbeit in Deutschland. Fünf Jahre nach der Deregulierung" ausgerechnet. Durch die Wirtschaftskrise ist diese Zahl mittlerweile - nach DGB-Schätzungen - um knapp 40 Prozent eingebrochen. Das zeigt, wie schlecht abgesichert die Beschäftigten in der Leiharbeit sind. Der DGB befürchtet aber, dass "die Zahl der Leiharbeiter zur Mitte des nächsten Aufschwungs die Millionengrenze im Bestand erreicht haben" wird.

Dabei liegen die Nachteile der Leiharbeit für die Beschäftigten klar auf der Hand. Längst dienen sie nicht mehr nur dazu, Auftragsspitzen abzufedern. Immer mehr verdrängen sie reguläre Beschäftigung. So gehen immer mehr Unternehmen, zum Beispiel Krankenhäuser, dazu über, ihre eigenen Leiharbeitsunternehmen zu gründen, und Arbeitnehmer, die bisher im Unternehmen selbst beschäftigt waren, von dort zu entleihen - zu schlechteren Bedingungen für die Ausgeliehenen (siehe Report Seite 12). Auffällig ist, so der DGB, dass die Leiharbeit eher in Branchen wächst, in denen das Lohnniveau hoch ist. Über alle Branchen gesehen beträgt der Lohnunterschied danach 29 Prozent. Mittlerweile ist jeder achte Beschäftigte in der Leiharbeit auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen.

Zwar gilt in Deutschland das Gebot der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit (Equal Pay), es kann aber durch Tarifverträge unterlaufen werden. So genannte christliche Gewerkschaften haben in Deutschland Tarifverträge für die Branche abgeschlossen, die das Lohngefüge nach unten ziehen. Unter diesem Druck sieht der Tarifvertrag der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit einen unteren Lohn von 7,31 Euro pro Stunde vor. Das bezeichnete der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske als "ungenügend". Er kündigte an, die Gewerkschaft werde das Thema künftig in eigenen Tarifverträgen behandeln.

Helfen könnte ein gesetzlicher Mindestlohn, den ver.di und andere Gewerkschaften seit langem fordern. Der Mindestlohn für die Branche wird schon seit Monaten durch einen Streit innerhalb der Regierungskoalition blockiert.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern, den das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung vorgelegt hat. In Frankreich erhalten die Beschäftigten in der Leiharbeit nicht nur den üblichen Lohn der ausleihenden Branche, sondern zusätzlich noch einen zehnprozentigen Prekariatsaufschlag. Gleichzeitig zahlen die Arbeitgeber für sie in einen Weiterbildungsfonds. In Österreich konnten die Gewerkschaften durchsetzen, dass Leiharbeitnehmer/innen, die in Hochlohnbranchen eingesetzt werden, einen Lohnaufschlag erhalten. "Die Sozialpartnerschaft ist viel stärker, außerdem gibt es keine Konkurrenz unter den Gewerkschaften, mit denen niedrigere Standards durchsetzbar wären", nennt Claudia Weinkopf, stellvertretende geschäftsführende Direktorin des IAQ, zwei Gründe, weshalb diese Regelung erreicht werden konnte. Wichtig sei es, die Kostenvorteile für die Arbeitgeber zu begrenzen. Das sei in anderen Ländern durchaus geschafft worden, durch gesetzliche Mindestlöhne, tarifvetragliche Regelungen und/oder eine effektive Umsetzung des Equal-Pay-Gebots. "In keinem anderen Land sind die Lohnunterschiede so stark ausgeprägt wie in Deutschland", berichtete Weinkopf bei der Vorstellung der Studie. Das auch hierzulande umzusetzen, ist ein Auftrag an die neu zu wählende Bundesregierung. www.hundertprozentich.de