Aktive vom Verein für Innere Mission in Bremen

Es holpert gewaltig auf dem so genannten kirchlichen dritten Weg – auf dem die Arbeitsbedingungen der „Dienstgemeinschaft” eigentlich einvernehmlich geregelt werden sollen. Rund 300 Beschäftigte der Diakonie jedenfalls haben zwischen dem 22. und 25. September bundesweit ihre Arbeit niedergelegt – unterstützt von mehr als 2000 protestierenden Kolleg/innen. Der Konflikt dauert schon mehr als ein Jahr. Im August 2008 hatte ver.di die diakonischen Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Nach ersten ver.di-Streiks im Oktober 2008 und Mai 2009 versuchte der Verband diakonischer Dienstgeber (VdDD), die dritte Streikwelle im September durch eine einseitige Lohnerhöhung von vier Prozent zu dämpfen. Doch gewirkt hat das nicht. ver.di erwartet, dass die Arbeitgeber ihr Angebot nun unter dem Druck der Proteste ausbauen. „Die Arbeitgeber sind in Aufruhr”, sagt Niko Stumpfögger von ver.di, der die Aktionen koordiniert. Vor der Aktionswoche hatten die diakonischen Arbeitgeber per Klage versucht, den Streik zu verhindern, dann allerdings darauf verzichtet, entsprechende einstweilige Verfügungen zu beantragen. Bis Redaktionsschluss lagen auch keine der angedrohten Abmahnungen für streikende Mitarbeiter/innen vor. „Die diakonischen Arbeitgeber sind sich offensichtlich ganz und gar nicht sicher, ob sie vor einem Gericht mit ihrer Auffassung durchkommen, dass für kirchliche Einrichtungen das Grundrecht auf Streik nicht gelten soll”, bewertet Niko Stumpfögger dieses zwiespältige Vorgehen.

Was dahinter steckt

Zum Hintergrund: Einrichtungen unter dem Einfluss des VdDD zahlen Löhne, die erheblich unter Branchenniveau liegen, und seit 2004 gab es keine Lohnerhöhungen mehr. Betroffen sind rund 350 000 Beschäftigte. Die acht Prozent Lohnerhöhung der Branche in den Jahren 2008 und 2009 wurde ihnen vorenthalten. So verdient eine Krankenschwester mit 15 Jahren Berufserfahrung in einer westdeutschen Einrichtung der Diakonie monatlich 400 Euro weniger als in einem privaten oder öffentlich geführten Haus - und das selbst bei der versprochenen vierprozentigen Lohnerhöhung. Noch ungerechter ist die derzeitige Bezahlung der Kolleg/innen in Ostdeutschland. Ein Beispiel: Eine Altenpflegerin mit zehn Jahren Berufserfahrung verdient dort fast 520 Euro weniger im Monat als eine Kollegin, die nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bezahlt wird.

Manche machen ́s anders

Trotz der guten Beteiligung an den Protesten rechnet Niko Stumpfögger mit einer längeren Auseinandersetzung. Aber: „Im Arbeitgeberlager herrscht inzwischen Uneinigkeit, wie mit der Forderung der Beschäftigten nach besserer Bezahlung umgegangen werden soll.” Dass die Arbeitgeber der evangelischen Kirche nicht durchweg so arbeitnehmerfeindlich auftreten, zeigen die Tarifverträge, die die Kirchenleitungen der Nordelbischen Landeskirche sowie der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit ver.di abgeschlossen haben. Und das Diakonische Werk Württemberg sowie die Diakonie in Rheinland-Westfalen-Lippe zahlen entsprechend dem Branchenniveau.

Nur ein Almosen

ver.di bewertet die bislang in Aussicht gestellten vier Prozent des VdDD als Almosen an die Beschäftigten in der Diakonie. Zumal es für das Angebot keine Zahlungsgarantie gibt – der Arbeitgeber vor Ort kann je nach wirtschaftlicher Selbsteinschätzung entscheiden, ob er die Lohnerhöhung gewähren will oder nicht. Zusagen existieren bislang erst aus rund einem Dutzend der etwa 150 Häuser der Diakonie.

UTA VON SCHRENK