Die Nachrichten, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Lehrstellensituation verbreitet, klingen beruhigend - wie jedes Jahr. "Trotz ungünstiger konjunktureller Entwicklung ist eine gute Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildung gelungen." Ende September soll es nach offiziellen Angaben sogar noch 17 300 freie Ausbildungsplätze gegeben haben - und damit deutlich mehr als die 9 300 noch unversorgten Bewerber. Diese erfreuliche Lage sei vor allem auch darauf zurückzuführen, dass nun geburtenschwächere Jahrgänge auf den Ausbildungsmarkt drängen und die betrieblichen Ausbildungsstellen prozentual weniger stark zurückgegangen sind, so die BA.

Tatsächlich existierte die positive Bilanz leider nur am 30. September - und nur auf dem Papier. "Das ist der heiligste Tag für uns, auf den werden alle Zahlen frisiert", hat ein Arbeitsamtmitarbeiter vor einigen Monaten in aller Deutlichkeit gegenüber dem Stern geäußert. Die Tricks dafür sind vielfältig. Zum einen werden jedes Jahr Zehntausende von Bewerbern in berufsvorbereitende oder so genannte Maßnahmen zur Einstiegsqualifizierung gesteckt - und gelten dann als versorgt. Andere werden sehr kurzfristig zu einer Veranstaltung kurz vor dem 30. September eingeladen; wer dort nicht erscheint, fliegt zumindest vorübergehend wegen fehlender Mitwirkung aus der Statistik. Auch jede Form von Job kann dazu führen, dass jemand offiziell nicht mehr als Suchender registriert wird. Andere Jugendliche werden als "nicht ausbildungsreif" deklariert. "Darstellungen, die Probleme verdrängen, helfen niemandem", kritisiert der DGB. Er fordert deshalb eine ungeschönte Ausbildungsplatzbilanz. Das Argument der Arbeitgeber, dass viele junge Leute nicht das nötige Rüstzeug für eine Ausbildung mitbringen, kontert der DGB: "Möglichen individuellen Defiziten muss durch Beratung, Hilfe oder Förderung begegnet werden." Hier habe sich die BA in letzter Zeit viel zu stark auf das Internet konzentriert.

1,5 Millionen junge Erwachsene ohne Ausbildung

Tatsächlich fehlen in diesem Herbst 124 922 betriebliche Ausbildungsplätze. "124 922 junge Menschen - das entspricht der Einwohnerzahl einer deutschen Großstadt", führt der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke vor Augen, welche Dimension das Problem hat. Dabei sind diejenigen, die nicht bei der Bundesagentur gemeldet sind, noch nicht einmal mitgezählt. Längst nicht alle Suchenden lassen sich dort registrieren, denn viele junge Leute geben irgendwann auf, wenn sie einige Warteschleifenjahre hinter sich gebracht haben.

Fast 1,5 Millionen in Deutschland lebende Menschen zwischen 20 und 29 Jahren können heute keinen Berufsabschluss vorweisen. Das ist erschreckend, denn Geringqualifizierte haben die schlechtesten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. So erstaunt es nicht, dass die Arbeitslosigkeit bei den Jungen besonders hoch ist: Jeder achte aus der Altersgruppe der unter 25-jährigen steht heute ohne Job da.

Annette Jensen