Ausgabe 05/2010
Alltagsgeld und Sonntagsgeld
Hermann-Josef Tenhagen ist seit 1999 Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest
ver.di PUBLIK | Wo können sich anlagewillige Verbraucher am besten informieren?
HERMANN-JOSEF TENHAGEN | Bevor sie zu einer Beratung gehen, sollten sie sich am Küchentisch zunächst selbst eine Reihe von Fragen stellen: Wie sind meine finanziellen Verhältnisse, wann brauche ich das Geld wieder, welche Bedeutung hat dieses Geld im Rahmen meiner gesamten Ersparnisse? Und: Wie viel verdiene ich? Ist mein Job sicher?
Eine gute Beraterin erkennt man dann eigentlich schon daran, dass sie einem diese Fragen nochmals stellt. Auch wenn die Bank die Historie des Girokontos kennt, sollten die Situation, die Wünsche und die Lebensplanung des Kunden erörtert werden. Das gilt übrigens auch für die Verbraucherzentralen, die unabhängig informieren.
Wenn all diese Fragen geklärt sind, kommen zwei weitere elementare Punkte ins Spiel: Wie lange soll das Geld angelegt werden? Welches Risiko ist akzeptabel?
ver.di PUBLIK | Angenommen, das Geld wird in der nächsten Zeit nicht gebraucht und soll sicher sein.
TENHAGEN | Ich teile die zur Verfügung stehenden Mittel gern in drei Kategorien ein: Alltagsgeld, Altersgeld und Sonntagsgeld. Alltagsgeld ist das, was man auf jeden Fall jenseits des Girokontos auf einem Tagesgeldkonto deponieren sollte. Etwa zwei Monatseinkommen sollten dort liegen, damit man nicht tief in den Dispositionskredit rutscht, wenn das Auto streikt oder die alte Waschmaschine den Geist aufgibt. Gegenüber dem Dispokredit ist da jede Anlage mit noch so niedrigem Ertrag ein Gewinn.
Der zweite Punkt: Das Geld, mit dem man fürs Alter vorsorgt, muss sicher sein. Dafür sind Riester-Produkte oder die betriebliche Altersvorsorge eine gute Wahl. Wer Gehalt in eine betriebliche Altersvorsorge umwandelt, spart Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Auch der Chef hat etwas davon, weil er ebenfalls weniger Sozialversicherungsbeiträge zahlt. Seit 2002 ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass der Chef für ein Betriebsrentenangebot sorgen muss. Diese Anlage ist sehr sicher, weil der Chef und der Anbieter der Betriebsrente jeweils mit ihren Sicherungseinrichtungen haften. Kapitallebensversicherungen empfehle ich eher nicht, weil die Produkte teuer und wenig flexibel sind.
Sonntagsgeld schließlich ist Geld, das für meine Wünsche zur Verfügung steht. Wer das Risiko nicht so sehr scheut, packt es in einen Aktienfonds. Vorsichtige Menschen werden eher einen Banksparplan ins Auge fassen, mit dem derzeit allerdings höchstens drei bis 3,5 Prozent Zinsen zu erzielen sind.
ver.di PUBLIK | Wie funktioniert ein Banksparplan?
TENHAGEN | Solche Sparpläne werden von den meisten Banken angeboten. Dabei zahlen die Kunden regelmäßig eine bestimmte Summe ein. Die Zeitabstände sind meist flexibel: monatlich, quartalsweise, halbjährlich oder jährlich. Das Kreditinstitut legt das Geld dann an. Das ist ziemlich sicher, man erzielt aber nur durchschnittliche Renditen. Aber aufgepasst, bei manchen Banksparplänen sind die Zinsen fix: Wer den Sparplan jetzt für sieben Jahre abschließt, bekommt für die ganze Zeit nur die anfänglichen drei Prozent Zinsen. Auch wenn in den nächsten Jahren die Zinsen steigen, hat er nichts davon. Es gibt aber auch Banksparpläne, die an einen Index gekoppelt sind. Bei denen steigen auch die Sparzinsen, wenn die Notenbankzinsen der Europäischen Zentralbank wieder hochgehen. Im Augenblick würde ich mein Geld für zwei, maximal drei Jahre festlegen und zusehen, dass ich drei Prozent bekomme. Mehr ist im Augenblick ohne Risiko kaum drin.
ver.di PUBLIK | Und das gute alte Sparbuch hat ausgedient?
TENHAGEN | Ja, es bringt einfach zu wenig Zinsen. Auch die Bedeutung von Festgeld mit fixer Laufzeit ist zurückgegangen. Dabei werden die Zinsen erst am Ende der Laufzeit gutgeschrieben und eine vorzeitige Verfügung ist in der Regel nur mit Verlusten möglich.
ver.di PUBLIK | Was kommt für risikofreudigere Anleger in Frage?
TENHAGEN | Es kommt darauf an, wieviel Risiko man eingehen will und wieviel Arbeit man sich machen möchte. In der Tendenz ist es so: Je mehr Risiko, desto mehr Rendite ist möglich. Desto wahrscheinlicher ist aber auch der Fall, dass es keine Rendite gibt oder sogar ein Teil des Geldes verlorengeht. Wenn man beispielsweise im Monat 200 Euro "übrig" hat, könnte man 100 davon in einen sicheren Banksparplan und 100 in einen oder zwei Aktienfonds stecken. Über zehn Jahre gesehen, liegt man dann eigentlich immer über Null. Gleichzeitig sind die Aussichten, dass die Anlage mehr bringt, gar nicht schlecht. Aber damit muss man sich beschäftigen.
ver.di PUBLIK | Wovon sollten auf Sicherheit bedachte Anleger die Finger lassen?
TENHAGEN | Ihnen würde ich von Aktien und Aktienfonds eher abraten. Geschlossene Fonds sind für sie gar nichts. Und auch die kreditfinanzierte Eigentumswohnung ist im Grunde nicht geeignet, weil man sich da gut auskennen und genug Geld in der Hinterhand haben sollte. Es bleiben deshalb im Wesentlichen Bankprodukte und das Geld direkt von Vater Staat: Riester oder Bundesschatzbriefe.
INTERVIEW: Ute Christina Bauer
"Auch wenn die Bank die Historie des Girokontos kennt, sollten die Situation, die Wünsche und die Lebensplanung des Kunden erörtert werden"