Im Deutschen wird das Wort "Heimat" nur in der Einzahl verwendet. Der Duden erlaubt "Heimaten", aber im allgemeinen Sprachgebrauch klingt es ungewohnt. Für jemanden wie den 37-jährigen Hikmat El-Hammouri sind mehrere Heimaten Realität. Sein Vater ist Palästinenser mit jordanischem Pass, seine Mutter Deutsche. Geboren wurde Hikmat El-Hammouri in Österreich, wo der Vater sich als Arzt niederließ, nachdem er das besetzte Hebron nach dem Sechs-Tage-Krieg verlassen hatte. Hikmats Familie, die er besucht, wann er kann, ist in alle Welt zerstreut.

Hikmat El-Hammouri wuchs in Graz heran. Erst nach dem Umzug in eine niedersächsische Kleinstadt merkte der Junge, dass er irgendwie anders war. "Ich kam aus der Großstadt in ein Dorf, und hier reichte schon mein Name, um aufzufallen. Als ich mich dann irgendwann auch einmal gemeldet habe im Unterricht, kam der Spruch eines Mitschülers: Stell du erstmal deinen Asylantrag! Das war in Österreich anders, da war ich integriert, ich sprach ja fließend Deutsch. Hier aber war das ein Thema." Auch offiziell dauerte es, bis man ihn integrieren wollte. Bis er mit 18 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft annahm, besaß er nur einen Fremdenpass. Das hieß: Klassenfahrten ins europäische Ausland konnte er nicht mitmachen. Mit 16 hatte er zwar den Realschulabschluss, benötigte aber eine Arbeitserlaubnis, die jedes Jahr verlängert werden musste.

Doch das warf Hikmat nicht aus der Bahn. Er begann eine Ausbildung als Kommunikationselektroniker bei der Telekom und wurde Mitglied in der Deutschen Postgewerkschaft. "Ich wollte aber das Abitur nachholen und studieren." Gesagt, getan. Zwischendurch hat er ein Jahr lang seine Fächer Archäologie und Arabistikan der Birzeit-Universität im Norden Jerusalems studiert. Das finanzierte er selbst, mit Jobs bei Cinemaxx in Göttingen. Hier wurde er auch gewerkschaftlich aktiv. "Wir mussten in einen längeren Arbeitskampf, um auf unsere tariflose Situation aufmerksam zu machen", sagt er. Er empfand die Gewerkschaft als einen Gegenpol zum bisher Erlebten. Er merkte, hier hält man zusammen und setzt sich gemeinsam für gerechte Löhne ein. Und zwar bis zum Tarifvertrag, den es bei Cinemaxx nun gibt.

Inzwischen hat Hikmat El-Hammouri eine weitere Heimat gefunden, eine berufliche bei der Gewerkschaft. Er ist ver.di-Jugendsekretär in Koblenz und Gewerkschaftssekretär für den Fachbereich Bund und Länder in Rheinland-Pfalz. In seinem Sommerurlaub fährt er regelmäßig als Schnittleiter eines archäologischen Teams der Uni Dortmund nach Jordanien und hilft, eine alttestamentarische Burgstadt im Jordantal auszugraben.

Als Jugendsekretär und Teamer leistet der Sohn eines Palästinensers antirassistische Aufklärungsarbeit, u.a. im ehemaligen KZ Bergen-Belsen. "Weil uns das alle angeht. Und weil es wichtig ist, dass wir rechtsextremen Gedanken schon an ihren Wurzeln entgegenwirken." Jenny Mansch