Ausgabe 04/2011
Unter dem Schirm
Anfang April hat auch Portugal die EU um Hilfe aus dem Rettungsfonds gebeten. Diese Flucht unter den Rettungsschirm kam nicht unerwartet. Darüber kann das Land jetzt günstigere Kredite aufnehmen. Schon zuvor hatte es ein strenges Sanierungsprogramm angekündigt. Da die Opposition damit nicht einverstanden war, stehen für den 5. Juni Neuwahlen an.
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht Portugal in zwei Teufelskreisen. Der erste gehe von den Finanzmärkten aus, erläuterte er in einem Zeitungsinterview. Diese reagierten misstrauisch auf die finanzielle Situation des Landes. Die Folge: Die Zinsen für das Land steigen an. Die Ursache des zweiten sieht er in den Sparprogrammen der EU und des Internationalen Währungsfonds. Portugal sei zum Sparen gezwungen, das belaste allerdings das Wirtschaftswachstum. "In der Folge ging das Defizit nicht wie geplant zurück, weswegen noch härtere Sparprogramme gefordert wurden - ohne Rücksicht darauf, ob die Konjunktur Portugals das überhaupt verkraften kann", sagte Bofinger der Berliner Zeitung.
Doch Sparen scheint in der EU als das Allheilmittel angesehen zu werden. Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, machte sich dafür stark, dass die Schuldenbremse auch in anderen Ländern übernommen wird. Damit will sie die Regierungen der anderen EU-Länder, insbesondere der Euro-Länder, zu mehr Haushaltsdisziplin anhalten. Für Deutschland ist die Schuldenbremse bereits seit einiger Zeit eine beschlossene Sache. Dabei sagen Wirtschaftsexperten, dass Schulden durchaus sinnvoll sein können, wenn damit bleibende Werte geschaffen werden.
Die Wurzel allen Übels
Ende März haben sich die 17 Euro-Staaten auf einen neuen Wettbewerbspakt geeinigt, sechs weitere EU-Länder haben sich dem angeschlossen. "Staatsschulden erscheinen jetzt als die Wurzel allen Übels", warnte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Gerade der Blick auf "Musterschüler" wie Spanien, so Bsirske, zeige, dass der Verzicht auf Schulden allein nicht für eine stabile Wirtschaft sorge. Vielmehr müsse man die Staaten aus der "Geiselhaft der Finanzmärkte befreien". Er setzt sich dafür ein, die Spekulation gegen Staaten einzudämmen, insbesondere die, für die man die Staatsanleihen gar nicht erst besitzen muss, trotzdem aber auf ihre Entwicklung spekulieren kann.
Er befürchtet, dass die anderen EU-Länder durch den Wettbewerbspakt auch die schwache deutsche Lohnpolitik kopieren werden. Bsirske fordert stattdessen einen New Deal. Der neue Pakt soll unter anderem aus Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer finanziert werden. Mit ihm soll die Binnenkonjunktur in Europa stimuliert werden. "Wir brauchen eine koordinierte Sozial-, Finanz- und Steuerpolitik", sagte Bsirske. "Mehr Europa, aber anders". hla