Von den Beschäftigten erwarten sie Flexibilität, sie selbst entpuppten sich als unbeweglich: Die Arbeitgeber der Touristikbranche ließen die seit Juli 2010 laufenden Tarifverhandlungen im April nach der Schlichtung platzen. "Sie haben es komplett vermasselt", sagt Ute Kittel, die Leiterin der ver.di-Bundesfachgruppe Touristik, Freizeit, Wohlbefinden.

Dabei hatte die Tarifrunde gut begonnen. Arbeitgeber wie Beschäftigte wollten sich rasch einigen, die Forderung von ver.di nach 3,5 Prozent Lohnerhöhung war angesichts guter Gewinne in der Branche eine realistische Grundlage zum Verhandeln. Doch die Arbeitgeber, vertreten durch die DRV (Deutscher Reiseverband - Tarifgemeinschaft) legten kein verhandelbares Gegenangebot, sondern Forderungen vor: Die Durchschnittsgehälter für neu Eingestellte sollen um bis zu 1000 Euro monatlich gesenkt, eine neue Entgeltstruktur mit einem höheren variablen Gehaltsanteil geschaffen und die Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche erhöht werden. "Unzumutbar, denn wir mussten schon in der letzten Tarifrunde einem höheren flexiblen Anteil beim Entgelt zustimmen", sagt Ute Kittel. "Mehr Variabilität ist nicht drin, bei Höchstgehältern von etwa 3200 Euro brutto für den Leiter eines Reisebüros mit mindestens zehn Angestellten."

Mit verstaubtem Vorurteil

An den vier Verhandlungsterminen bewegten sich die Arbeitgeber keinen Millimeter. Um die Kosten zu senken, scheuten sie sich nicht, mit abgeschmackten Vorurteilen aufzuwarten. Da in der Branche überwiegend Frauen als "klassische Hinzuverdienerinnen" arbeiteten, könnten sie die geplanten Verschlechterungen leichter verkraften. Woher die Chefs ihre Erkenntnisse über die Situation der rund 70.000 Branchenbeschäftigten nahmen, blieb ihr Geheimnis.

Nach der vierten gescheiterten Verhandlung einigten sich beide Seiten zumindest auf die Schlichtung; nach einem Treffen legte der Schlichter, Arbeitsgerichtspräsident Frank Woitaschek, im April einen Einigungsvorschlag vor. "Wir hätten uns vorstellen können, auf der Grundlage dieses Papiers zu einer Einigung zu kommen", sagt Kittel. Doch die Arbeitgeber lehnten die Empfehlung ab, sprachen in den Betrieben sogar schon vom Scheitern der Schlichtung, bevor ver.di offiziell von der Ablehnung informiert worden war. "In dieser Situation setzen wir auf die zunehmende Kampfbereitschaft unserer Kolleginnen und Kollegen", sagt Ellen Theuerwasser, Betriebsratsvorsitzende bei TUI Leisure Travel in Hannover. Immerhin hatte es Ende Januar in mehreren Städten Warnstreiks von Touristikbeschäftigten gegeben - zum ersten Mal in der Branche. "Der Druck nimmt auf beiden Seiten zu. Die Chefs finden kaum noch Nachwuchskräfte, wollen aber die Einstiegsgehälter kürzen. Das kann nicht das letzte Wort sein", sagt die Betriebsrätin.

So lange die Arbeitgeber kein verhandelbares Angebot vorlegen, gilt der bisherige Tarifvertrag für alle ver.di-Mitglieder in tarifgebundenen Unternehmen weiter. "Dass die Arbeitgeber nun freiwillig die Gehälter um 2,2 Prozent erhöhen, kann die Beschäftigten nicht dauerhaft beruhigen", sagt Kittel. Beruhigend wäre ein Tarifabschluss mit Entgeltsteigerung und ohne schlechtere Gehaltsstruktur. Bleibt die Frage, ob verstärkter Druck die Arbeitgeber zur Rückkehr an den Verhandlungstisch bewegen wird. Gudrun Giese