Viele Unternehmen melden Rekordgewinne - und bieten lächerlich niedrige Lohnerhöhungen an

Jetzt wird gerade nichts verkauft: Bei Kaufhof, Karstadt, Zara und anderen Läden werden sie ungeduldig

Der Handel ist ein hartes Pflaster. Fast vier Millionen Menschen sind in diesem Wirtschaftszweig tätig. Wer aufmerksam einkauft, der ahnt, wie belastet das Personal ist. Auf bis zu zwei Tonnen kann sich das Gewicht der Artikel an einer Kasse pro Tag summieren. Schweres Heben und Zeitdruck machen auch in der Logistik und im Großhandel oft den Berufsalltag aus. Die Arbeitsintensität nimmt zu. Für die Unternehmen zahlt sich das aus. Viele melden für 2010 Rekordgewinne.

Ikea ist ein Beispiel. Auf 2,7 Milliarden Euro belief sich der Nettogewinn im letzten Geschäftsjahr - ein gutes Argument für die Tarifrunde. Das sagten sich auch die Beschäftigten des Möbelhauses im hessischen Wallau, die am 3. Mai genau neben der Deutschland-Zentrale die Arbeit niederlegten. Um auch die Logistik dabei zu haben, begann der ver.di-Streik um vier Uhr morgens.

In den Ländern spielt die Musik

Ob an der Rampe, in der Filiale oder im Büro: Viele Beschäftigte im Handel hofften Anfang Mai auf eine schnelle Gehaltserhöhung. "Jetzt sind wir dran!" und "Gute Arbeit hat ihren Preis", so die ver.di-Slogans. Die ersten Tarifverträge sind Ende März ausgelaufen. Neu verhandelt wird auf der Ebene der Bundesländer. Dort spielt die Musik.

Im Groß- und Außenhandel fordern die meisten ver.di-Tarifkommissionen zwischen 5,5 und sechs Prozent mehr für zwölf Monate. Alternativ werden Festbeträge von 120 Euro genannt. Für den Einzelhandel sind es 6,5 Prozent, so in Baden-Württemberg, während ver.di in Hessen und Bayern für sechs Prozent oder 120 beziehungsweise 130 Euro eintritt. Überall wird auch das Ziel verfolgt, Leiharbeitskräfte per Tarifvertrag gleichzustellen.

Nachdem die Arbeitgeber bundesweit identische Billigangebote von umgerechnet 1,1 Prozent vorgelegt hatten, rief ver.di zu Arbeitsniederlegungen im Einzelhandel auf. "Mehr Geld gibt's nur mit mehr Bewegung", das war die Devise in den hessischen Betrieben. In Baden-Württemberg beteiligten sich am 5. Mai rund 1000 Beschäftigte. Durch die Stuttgarter City zog eine bunte Warnstreikdemo. Vier Tage später kam es in über 40 Betrieben des bayerischen Einzelhandels zu Streiks. In Nürnberg sorgte eine Menschenkette für Aufsehen, an der auch Kunden teilnahmen.

So einfach geht es nicht

Warnstreiks und Proteste gab es ab Anfang Mai auch in anderen Bundesländern sowie im Groß- und Außenhandel, wo die Unternehmer einen Zwei-Jahres-Abschluss anpeilen. Ihr Angebot sieht Erhöhungen um 2,1 und zwei Prozent vor. Weitere 0,4 Prozent im ersten Jahr sollen nicht tabellenwirksam sein.

Werner Wild, der für ver.di in Baden-Württemberg die Verhandlungen im Groß- und Außenhandel leitet, ist sauer. "So einfach lassen sich die Beschäftigten nicht abspeisen", sagt er. "Bei einer Inflation von zur Zeit 2,4 Prozent bedeutet das Angebot 24 Monate lang Reallohneinbußen. Das machen wir nicht mit." Auch der neue baden-württembergische ver.di-Handelschef Bernhard Franke betont die glänzenden Geschäftsergebnisse der Unternehmen. So hat die Metro AG 2010 ihren Reingewinn um 80 Prozent auf 936 Millionen Euro gesteigert. Die Aktionäre können 14,4 Prozent mehr Dividende einstreichen. Der Kontrast zu den Geizangeboten bei den Tarifen ist deutlich.

Am 6. Mai haben die Tarifparteien des Einzelhandels im schwäbischen Böblingen einen Gesprächsmarathon begonnen, um zu einer Einigung zu kommen. Das gelang vorerst nicht, weil die Arbeitgeber nur ein leicht verbessertes Angebot vorlegten. Die Zeichen im Handel stehen daher weiter auf Streik.