Ausgabe 08/2011-09
Ein Akt der Überwindung
"2000 Streikende zur zehnten Verhandlungsrunde führen zur Tarifeinigung: Absenkungen für Berufseinsteiger wurden abgewehrt. Gehälter steigen um 1,5 Prozent ab Mai 2012, dazu zwei Einmalzahlungen von je 200 €. Die Honorare steigen zweimal um je 2 Prozent bis August 2012, Manteltarifvertrag und Altersversorgung gelten bis Ende 2013...", so steht es in der Tarifinfo von ver.di und der dju, der Deutschen Journalist/innen-Union in ver.di. Fast vier Wochen hatten Journalist/innen und Redakteu-r/innen in der Region Stuttgart gegen ihre Verleger gestreikt. Diese hatten mit ihren Forderungen (Absenkung der Gehälter für Berufseinsteiger, der Streichung von Urlaubsgeld und Gehaltskürzung, Erhöhung der Wochenarbeitszeit und Abstriche bei der Altersversorgung) das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.
Erstaunlich, mit welcher Phantasie, Kreativität und Geschlossenheit die Streikenden ihren Arbeitskampf führten. So hatten sie eine gläserne Redaktion aufgebaut, um die Öffentlichkeit zu informieren. Flashmob-Aktionen, Kundgebungen und viele andere Aktivitäten begleiteten den Arbeitskampf. Der ver.di-Bezirk Stuttgart hatte den Streik und die Aktionen mit Rat und Tat und auch einer eigenen Postkartenaktion der Leser/innen tatkräftig unterstützt.
Unabhängig vom Ergebnis werden die streikenden Journalist/innen und Redakteur/innen nach dem Streik nicht mehr die gleichen sein. Jo Bauer, Kolumnist der Stuttgarter Nachrichten, schrieb zutreffend: "Der Streik ist die Chance, Fähigkeiten in uns abzurufen, die wir vernachlässigt oder vergessen haben. Streik ist ein Akt der Überwindung. Man braucht einen langen Atem und das Bewusstsein, nur in der Gemeinschaft stark zu sein." Stärke haben die streikenden Kolleg/innen auf alle Fälle bewiesen.
In der Stellungnahme der gemeinsamen Streikleitung von Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung heißt es: "Wir haben den Verlegern gezeigt, dass sie sich verrechnet haben. Alles, was sie auf der Agenda hatten, haben wir mit unserem Streik weggekriegt. Natürlich müssen wir einen Preis für den Abschluss zahlen. Die Gehaltsanhebung ist lächerlich bis schäbig. Was lernen wir daraus? Da wir nun wissen, dass wir uns alle zusammen für unsere Belange einsetzen, können wir schon die Anfangsforderungen deutlich erhöhen. Die Rechnung der Verleger ist nur zu einem geringen Teil aufgegangen. Wir haben bereits verloren geglaubtes Terrain zurückerobert. Wer hätte Anfang des Jahres schon geglaubt, dass wir diesen Abschluss so hinkriegen?" rix