Gewählte Mitglieder des Betriebsrates von links nach rechts: Thorsten Kauffmann, Dieter Kronz, Gewerkschaftssekretärin Monika Christann, Norman Dietzel (Ersatzmitglied) und Hyanzinth Miech

Von Renate Bastian

Wer morgens sein Müsli isst, hat das womöglich auch der Firma Dachser zu verdanken. Das Speditionsunternehmen, das nach eigener Bewertung "Geschichte schreibt", hat sich zum weltweiten Logistikdienstleister entwickelt. Es versorgt die Republik mit Lebensmitteln - "frisch oder trocken". An 320 Standorten ist das Unternehmen nach eigenen Angaben vertreten. Den Umsatz von 3,8 Milliarden Euro erwirtschaften insgesamt 19.250 Mitarbeiter/innen. Ende Januar richtete sich der Blick jedoch auf die 160 in der Offenbacher und der Kalbacher Niederlassung des Konzerns. Sie wollten nicht mehr ohne Betriebsrat arbeiten und haben sich durchgesetzt. Nach monatelangen Auseinandersetzungen ist ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt, vier davon sind Mitglied bei ver.di. Die Wahlbeteiligung betrug 89 Prozent.

Die Vorgeschichte ist spannender als mancher Krimi. Drei Beschäftigte aus dem Lagerbereich hatten die Initiative ergriffen. Ob sie geahnt haben, welchen Wirbelsturm sie auslösen würden? Das Management jedenfalls zog alle Register, um die Wahl zu verhindern. Die Gewerkschaftssekretärin Monika Christann berichtet, dass das Arbeitsgericht Offenbach einen Wahlvorstand bestellen musste. Zuvor war eine Wahlversammlung massiv gestört und nach einer Stunde abgebrochen worden. Herbeigeeilte Abteilungsleiter hatten versucht, eine Abstimmung gegen einen Betriebsrat zu erreichen. Es ging so turbulent zu, dass kaum einer ausreden konnte, kaum eine das Wort des anderen verstand. Die Dachser-Zentrale versuchte zudem, die Versammlung vorab durch eine einstweilige Verfügung zu verhindern. Beschäftigte, die "unerlaubt" zu dieser Versammlung gingen, wurden mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bedroht. Monika Christann hatte bei ihrem Besuch im Betrieb stets einen Mann an ihrer Seite, mal den Niederlassungsleiter, der sie nur ins Foyer ließ, mal den Sicherheitsbeauftragten, der sie zur Toilette begleitete, um "Betriebsgeheimnisse zu schützen".

Klare Sache

Für ver.di und den Wahlvorstand war und ist die Sache klar: "Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr kann nach dem Betriebsverfassungsgesetzt bestraft werden, wer eine Betriebsratswahl behindert." Aber ein solches Gesetz muss in der Wirklichkeit erst einmal durchgesetzt werden. Betriebsräte haben in den vielen Niederlassungen des Dachser-Unternehmens noch Seltenheitswert. Und schon mehrfach wurden Initiativen für eine Betriebsratswahl verhindert.

In Offenbach und Kalbach hat man sich durchgesetzt und ist froh über den neuen Betriebsrat, trotz eines Wermutstropfens. Denn im kaufmännischen Bereich herrscht vorerst noch Skepsis. Aber so viel ist gewiss: Von den südhessischen Dachser-Niederlassungen ist ein Impuls ausgegangen. An anderen Standorten der Firma erwägt man nun ähnliche Schritte. Und auch der Gesamtbetriebsrat signalisiert Unterstützung. Jetzt geht es erst eimal an die Alltagsarbeit: Viele Beschäftigte wissen gar nicht, dass für sie ein Tarifvertrag gilt. Tatsächlich bangen viele um ihre Arbeitsplätze.

Da gibt es viel zu tun für das neu gewählte Gremium. Neue ver.di-Mitglieder helfen dabei. Der Betriebsratsvorsitzende Dieter Konz, Lagerarbeiter in Offenbach, hat sich vorgenommen: "Ich will parteilich für die Interessen der Arbeitnehmer/innen sein. Das heißt klare Regelungen für Arbeitszeiten und Eingruppierung, für Urlaub, Gesundheitsschutz und Gleichstellung. Weniger Leiharbeiter, dafür mehr feste Beschäftigungsverhältnisse." Da schmeckt das Müsli doch gleich besser.