Ausgabe 04/2012
Da ist noch mehr drin
Das Wetter hat mitgespielt: Streikspaziergang in Berlin am 27. April. Das war der Anfang
VON Claudia von Zglinicki
Am 7. Mai treffen sich die Aktiven aus der ver.di-Landesbezirksfachgruppe des Bankgewerbes Berlin-Brandenburg. Die Stimmung ist gespannt; es geht um viel. Auf dem Tisch liegt das Angebot der Banken-Arbeitgeber aus der dritten Runde der Tarifverhandlungen, nach vierzehnstündiger Verhandlung. Es ist das erste Angebot überhaupt - und es ist nicht annehmbar.
Darüber sei man sich in der ver.di-Tarifkommission schnell einig gewesen, berichtet Michael Dutschke von der Verhandlung in Frankfurt am Main. Dutschke ist Betriebsratsmitglied bei der Landesbank Berlin. "Aufgebracht hat viele aus unserer Tarifkommission wieder die Arroganz der gegnerischen Seite", sagt er. "Mich übrigens auch. Über den Promillebereich könnten sie beim Gehalt noch mit uns reden, haben sie erklärt. Promille!"
Was sich "Angebot" für die 220.000 Beschäftigten der privaten und öffentlichen Banken nennt und Anfang Mai vorliegt, sieht so aus: Zwei Prozent mehr Gehalt soll es für die Beschäftigten ab Juli des Jahres geben - und dann noch jeweils 1,1 Prozent ab Juni 2013 und Januar 2014. Eine Laufzeit von vollen 30 Monaten. Auf zwölf Monate umgerechnet, geht es um magere 1,3 Prozent. Ein Reallohnverlust.
Am Nasenring herumgeführt
Die anderen Forderungen von ver.di und den Beschäftigten sind wieder abgeschmettert worden; der Gesundheits- und Beraterschutz, die Erhöhung der Ausbildungsquote in den privaten und öffentlichen Banken und die Übernahme der Azubis nach einem erfolgreichen Abschluss. Eine Regelung für den Vorruhestand soll es zwar wieder geben - aber nur im Tausch gegen die Samstagsarbeit.
"Das entspricht nicht unseren Vorstellungen und nicht den Vorstellungen der Beschäftigten", sagt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Beate Mensch.
"Das ganze Paket ist doch so, als sollten wir am Nasenring durch die Republik gezogen und vorgeführt werden", sagt Landesfachbereichsleiter Frank Wolf den Ehrenamtlichen. "Ihr seid ja Banker, ihr wisst am besten, was die Zahlen bedeuten, gemessen an der Inflation. Der Tarifabschluss beim öffentlichen Dienst, der auch für die meisten Kollegen von den Sparkassen gilt, sieht da ganz anders aus. Etwas Vergleichbares werden wir allein in Verhandlungen nicht erreichen." Die Arbeitgeber, so Frank Wolf, wollten sich jetzt zurücklehnen und in Ruhe anschauen, "was wir denn so zustandebringen".
In der Streikplanung
Jetzt geht es um Arbeitskampf, das ist allen klar. Auch wer in der Tarifkommission in Frankfurt gegen das Angebot gestimmt hat, wusste: Das heißt Streik. Die Frauen und Männer aus der Fachgruppe in Berlin-Brandenburg planen ihn schon, den nächsten Warnstreik: Wer geht auf die Straße, wie lange und wann? Feiertage müssen berücksichtigt werden, Öffnungszeiten von Filialen und auch die Interessen der Kunden. Gegen sie richtet sich der Arbeitskampf nicht, das ist vielen Beschäftigten sehr wichtig. Und noch etwas wird bedacht: "Wir müssen steigerungsfähig sein", wie Michael Dutschke mit Nachdruck betont.
Beim Auftakt, dem großen Warnstreik am 27. April, waren in Berlin 600 Bankbeschäftigte auf dem Kurfürstendamm unterwegs. Warnstreiks hat es an dem Tag auch in anderen Bundesländern gegeben, so in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen. Die Kundgebung in Berlin hat Aufsehen erregt, trotzdem sagen die Kollegen selbstkritisch, das müsse noch viel besser werden. Wird es auch, sie sind davon überzeugt. Und stimmen über den nächsten Streik ab. Noch Mitte Mai wird er sein und diesmal einen ganzen Tag dauern. Mit einer Sambagruppe. Wie gesagt: Sie sind steigerungsfähig. PORTRÄT SEITE F8
"Aufgebracht hat viele aus unserer Tarifkommission auch wieder die Arroganz der gegnerischen Seite. Mich übrigens auch. Über den Promillebereich könnten sie beim Gehalt noch mit uns reden, haben sie erklärt."