"Der Konflikt schwelt noch"

Nach 126 Streiktagen haben die Beschäftigten des Sparkassen-Callcenters Anfang November ein gutes Ergebnis erreicht. Doch für die Umsetzung mussten sie weiter kämpfen. Erst jetzt, drei Monate nach dem Abschluss, scheinen alle Vereinbarungen umgesetzt zu werden

STEFAN WITTMANN hat für ver.di mit der Geschäftsführung des Sparkassen-Callcenters S-Direkt einen Haustarifvertrag ausgehandelt

ver.di PUBLIK | Warum hat es bei S-Direkt so lange gedauert, bis der Tarifvertrag umgesetzt wird?

Stefan Wittmann | Weil der Geschäftsführer versucht hat, die Umsetzung so lange wie möglich hinauszuzögern. Er hat den Tarifvertrag von Anfang an nicht gewollt.

ver.di PUBLIK | Kommt es häufiger vor, dass Geschäftsführungen nach so heftigen Konflikten versuchen, die Ergebnisse zu unterlaufen?

Wittmann | Im Bereich Finanzdienstleistungen kenne ich hier im ver.di-Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen bislang nur zwei Beispiele.

ver.di PUBLIK | Das in Tarifverträgen vereinbarte Maßregelungsverbot bedeutet, dass Streikende nicht benachteiligt werden dürfen. Warum kommt es bei S-Direkt trotzdem zu Schikanen gegenüber Einzelnen?

Wittmann | Wenn der Geschäftsführer eine Mitarbeiterin im Controlling, die eine der Streikführerinnen war, in der Abteilung in einen neuen Aufgabenbereich versetzt, sieht er das als eine Art Beförderung. Er sagt, er habe ihr ein eigenes Projekt übertragen. Wenn er sie in ein separates Büro setzt und sie damit von der gesamten Kommunikation ausschließt, sagt er, es sei in dem Betrieb ein Privileg, ein ruhiges Büro zu haben. Er stellt sich nicht so dumm an, dass die Maßregelung einfach nachzuweisen wäre. Wir als ver.di müssen dann erklären, warum das trotzdem eine Maßregelung ist.

ver.di PUBLIK | Wie ist die Situation der von Mobbing Betroffenen heute?

Wittmann | Für den Großteil von ihnen ist mittlerweile wieder der Arbeitsalltag eingekehrt. Für die prominenten Fälle, die in vorderster Front beim Streik aktiv waren, sind wir gerade in der Klärung. Es gab Ende Januar erste Gespräche zwischen den Betroffenen und der Geschäftsführung, um die Konflikte zu bereinigen.

ver.di PUBLIK | Wie viele Beschäftigte waren betroffen?

Wittmann | In der Anfangszeit waren es rund 30 bis 40, aktuell sind es noch fünf Fälle.

ver.di PUBLIK | Was kann man als Beschäftigter machen, wenn man nach einem Streik in eine solche Situation gerät?

Wittmann | Für viele war es sehr schwer, nach einer so langen Streikzeit wieder in den Alltag hineinzufinden. Außerdem ist es in der Auseinandersetzung zu Verletzungen auf beiden Seiten gekommen, die zu weiteren Reibereien führen. Wenn es dabei zu ernsthaften Konflikten und Mobbing kommt, bleibt den Beschäftigten nur, sich über Betriebsrat und ver.di dagegen zu wehren.

ver.di PUBLIK | Was kann ver.di für die Mitglieder tun, wenn es nach einem Tarifkonflikt zu solchen Schwierigkeiten kommt?

Wittmann | Ich habe gelernt, dass wir nach einem solchen Streik den Beschäftigten persönlich zur Seite stehen müssen, damit sie sich nicht allein gelassen fühlen. Alles, was wir rechtlich klären können, müssen wir konsequent angehen. Wenn das alles nicht hilft, müssen wir diese Konflikte wieder öffentlich machen - das wollen die Arbeitgeber garantiert nicht.

ver.di PUBLIK | Ist das erstreikte Ergebnis mittlerweile umgesetzt?

Wittmann | In weiten Teilen ja. Ich bin zuversichtlich, dass wir bei der nächsten Verhandlung mit der Geschäftsführung am 8. Februar die letzten Problemfälle lösen können.

ver.di PUBLIK | Wie ist die Stimmung im Betrieb?

Wittmann | Bei vielen Mitgliedern merken wir eine tiefe Zufriedenheit darüber, dass es einen Tarifvertrag gibt, dass Mindestarbeitsbedingungen und eine Einkommensperspektive vereinbart worden sind. Diejenigen, die durch den Abschluss aus dem Hartz-IV-Bezug herausgekommen sind, sagen mir, dass sie jetzt zwar nicht unbedingt mehr Geld haben als vorher, aber sie haben das Gefühl, sie bekommen es durch ihre eigene Leistung und nicht mehr vom Staat. Allein das betrifft 100 bis 150 Menschen, überwiegend Teilzeitbeschäftigte.

INTERVIEW: Heike Langenberg

"Es gab Ende Januar erste Gespräche zwischen den Betroffenen und der Geschäftsführung"