Ausgabe 03/2013
Dicke Prämie für Streikende
Innovationen im Arbeitskampf bei Bitmarck in Hamburg
Dieser Streik war ein Novum, in mehrfacher Hinsicht. Noch nie zuvor hatten Beschäftigte der Gesetzlichen Krankenversicherung unbefristet die Arbeit niedergelegt. Und der Streik in diesem Frühjahr bei Bitmarck in Hamburg hat sich für die am Streik beteiligten Beschäftigten besonders gelohnt. Für sechs Prozent mehr Lohn für die über 300 Beschäftigten in Hamburg war ver.di angetreten; mehrere Verhandlungsrunden aber scheiterten. Bitmarck wollte sich nicht auf die ver.di-Forderungen einlassen, sondern sogar noch Eingriffe in bisherige Gehaltsstufen vornehmen. Auch die jährlichen Zusatzzahlungen, die den Mitarbeiter/innen in ihren Überleitungsverträgen von den Krankenkassen in das Unternehmen festgeschrieben worden waren, sollten gestrichen werden - für die Gewerkschaft vollkommen inakzeptabel.
Werbewirkung für ver.di
An 21 Streiktagen machten zwischen 80 und 100 Streikende deshalb klar: So geht‘s nicht. Seit 2008 die DAK, die Betriebs- und Innungskrankenkassen ihre IT-Abteilungen zusammengelegt haben, ist die Bitmarck-Unternehmensgruppe der größte Anbieter im IT-Markt der Gesetzlichen Krankenversicherung. Während die Krankenkassen in den vergangenen Jahren erhebliche Überschüsse erzielt hatten, wurden die Budgets für die Bitmarck-Mitarbeiter/innen, mit deren Kompetenz das Unternehmen wirbt, immer schmaler.
Drei Prozent mehr Lohn rückwirkend zum 1. Januar 2013 und eine weitere Erhöhung um 0,6 Prozent im kommenden Jahr: Das ist das Ergebnis des Arbeitskampfes, das der Hamburger ver.di-Fachbereichsleiter Roland Kohsiek "besser als akzeptabel" nennt. Denn zur Lohnerhöhung kommt etwas Neues hinzu: "Wir haben als innovatives Element eine Prämie von 1500 Euro für alle durchgesetzt, die am Streik beteiligt waren. Auch für alle, die gestreikt haben, aber nicht Mitglied bei ver.di sind." Auch die Besitzstände der Beschäftigten bleiben unangetastet.
Die Einmalzahlung hat ver.di ins Gespräch gebracht, als die Bitmarck anbot, Streikbrechern eine Prämie zu zahlen. 200 Euro habe der Arbeitgeber allen denen geboten, die nicht streiken. Das, so Kohsiek, "ist verboten und in höchstem Maße asozial".
Auch unter den Beschäftigten habe das Angebot an Streikbrecher für Empörung gesorgt, sagt IT-Administrator Thorsten Rückert. Das habe den Willen zum Arbeitskampf schließlich gestärkt. Auch wenn ihm deutlichere lineare Lohnerhöhungen über die kommenden Jahren letztlich lieber gewesen wären: Die von ver.di ausgehandelte Streikprämie bezeichnet der 31-Jährige als "gigantisch". Als Vertrauensmann hofft er, dass davon auch eine Werbewirkung für die Gewerkschaft ausgeht. "Das macht ja sehr deutlich, dass es sich lohnt, für seine Forderungen einzutreten, und könnte für weitere Maßnahmen mobilisieren." Susanne Kailitz