Die Oppositionsparteien fordern in ihren Wahlprogrammen höhere Einkommenssteuern. Anders als es in der öffentlichen Diskussion gerade dargestellt wird, gilt das aber nur für hohe Einkommen

Milliarden Mehreinnahmen wären drin. Geld, das in den Kommunen dringend gebraucht wird

Steuersenkungen waren im Bundestagswahlkampf 2009 noch das dominante Thema. Statt zu fragen, ob sie finanzierbar seien, ging es scheinbar nur noch um die Frage, um wieviel gesenkt wird. Das hat sich mittlerweile geändert. Selbst die Unionsparteien und die FDP kündigen im Bundestagswahlkampf 2013 keine größeren Steuersenkungen an, sie wollen nur die kalte Progression abbauen. Die tritt ein, wenn die Einkommenssteuersätze nicht der Preissteigerung angepasst werden.

SPD, Linke und die Grünen haben mit ihren Wahlprogrammen sogar Steuererhöhungen beschlossen - allerdings nur für hohe Einkommen. Allein sie wären betroffen, wenn Grenz- und Spitzensteuersätze erhöht würden. Doch sofort kommt eine Gegenkampagne von Unternehmerverbänden und ihren Instituten ins Rollen. Wer in den Tagen nach den entsprechenden Parteitagen die Berichterstattung in den Medien verfolgt hat, bekam schnell den Eindruck, als sollten auch schon Normaleinkommen mit erhöhten Steuersätzen belegt werden.

Vergessen werde dabei oft, sagt Norbert Reuter vom Bereich Wirtschaftspolitik beim ver.di-Bundesvorstand, dass man bei der Berechnung der Steuersätze nicht von Jahresbruttoeinkommen, sondern vom zu versteuernden Einkommen ausgehen muss. Das sei durch Abzüge für Entlastungsbeträge, persönliche Ausgaben und Verluste sowie persönliche Freibeträge meist deutlich geringer als das Jahreseinkommen. Auch werde oft nicht bedacht, dass der höhere Steuersatz nur für den Teil des Einkommens gilt, der über dem genannten Grenzwert liege.

70.000 Euro sind kein Normaleinkommen

Reuter rechnet vor, dass erst ab einem Bruttoeinkommen von rund 70.000 Euro (Steuerklasse 1) nach den verschiedenen Modellen der drei Parteien mit einer monatlichen Mehrbelastung zu rechnen sei. "Das ist wahrlich kein Normaleinkommen", sagt der Gewerkschafter. Bruttoeinkommen, die unter 70.000 liegen, würden nach den Vorschlägen von den Grünen und der Linken sogar noch entlastet, bei der SPD bliebe dort alles, wie es ist.

Allerdings würden die Pläne der derzeitigen Oppositionsparteien zu deutlichen Mehreinnahmen führen. Allein bei der Einkommenssteuer ergeben sich nach den Konzepten von SPD und Grünen zusätzliche Einnahmen von bis zu fünf Milliarden Euro. Geld, das in Deutschland dringend gebraucht wird, denn hierzulande herrscht ein Investitionsstau. Bund, Länder und Kommunen können zusätzliche Einnahmen gebrauchen, weil es dringend notwendig ist, dass sie endlich mehr in Bildung, sowie den Erhalt und Ausbau öffentlicher Gebäude und der Infrastruktur investieren können.

Die Senkung von Einkommens- und Unternehmenssteuern hat allein in den Jahren von 2000 bis 2012 zu Steuerausfällen von 480 Milliarden Euro geführt. Viele notwendige Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen mussten aufgeschoben werden, weil schlicht und ergreifend das Geld fehlte. In der Vergangenheit konnte ein Teil der notwendigen Ausgaben noch notdürftig über öffentliche Schulden finanziert werden. Das geht zukünftig nicht mehr. Ab 2016 soll die Schuldenbremse greifen. Dann sind solche Schulden nur noch in ganz engem Rahmen möglich.

Politik erfindet angeblich Ausgaben

Doch die arbeitgebernahen Forschungsinstitute sehen wenig Bedarf an zusätzlichen Staatseinnahmen. "Sofern die Politik keine zusätzlichen Ausgaben erfindet, gibt es keinen Bedarf für zusätzliche Einnahmen", heißt es gleichlautend in Berichten des Instituts der Deutschen Wirtschaft und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Beide verweisen darauf, dass die Steuereinnahmen in Deutschland geradezu sprudeln. Ebenso einhellig verschweigen sie jedoch, dass die Steuereinnahmen derzeit mit rund 600 Milliarden Euro pro Jahr rund 45 Milliarden Euro hinter den Schätzungen liegen, die vor der Finanz- und Wirtschaftskrise für dieses Jahr getroffen wurden.

Doch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes allein reicht nicht aus, um die Finanzmisere der öffentlichen Hand zu beenden. Dabei ist genug Geld vorhanden. ver.di setzt sich daher ein für eine Millionärsabgabe, eine Vermögenssteuer, höhere Steuern auf große Erbschaften sowie auf Kapitalerträge und hohe Einkommen. Außerdem fordert ver.di mehr Steuern von finanzstarken Unternehmen, eine Finanztransaktionssteuer und einen besseren Steuervollzug, um Steuerbetrug zu bekämpfen. Damit könne der Staat jährlich rund 100 Milliarden Euro mehr einnehmen, rechnet Reuter vor. Geld, das ebenso dringend gebraucht werde, um der Gesellschaft eine gute Zukunft zu sichern.

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