"Oft kommt das Verständnis erst zum Schluss"

Heiko Siewert, 25, machte am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf seine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, ist dort auf der Intensivstation beschäftigt und in der Jugend- und Auszubildenden-Vertretung aktiv

Bei uns werden heute fast alle Azubis übernommen. Darauf hatte bereits die Jugend- und Auszubildenden-Vertretung vor meiner Zeit hingearbeitet. Wir haben ziemliche Personalknappheit, und da ist es sinnvoll, die eigenen Auszubildenden zu übernehmen - auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Die kennen das ganze Haus, die Systeme und Vereinbarungen und das ganze Drumherum. Das hat die Geschäftsführung irgendwann eingesehen und so weit gebracht, dass sie alle übernehmen, deren Notendurchschnitt besser als 3,0 ist. Aber nur befristet auf ein oder zwei Jahre. Da haben wir uns dann in meiner Amtszeit dafür eingesetzt, dass die Leute unbefristet übernommen werden. Wir haben eine kleine Postkartenaktion gemacht und das auf den Jugend- und Auszubildenden-Versammlungen immer wieder thematisiert. Jetzt haben wir das in unserem Haustarifvertrag mit den Asklepios-Kliniken zusammen klarer geregelt.

Mein Übergang von der Ausbildung in den Beruf war daher ganz angenehm. Ich hatte jemanden, der mich eingearbeitet hat, und mit Anleitung hat das dann auch ganz gut funktioniert. Dennoch war das ein ganz schön großer Umbruch. In der Ausbildung darf man ja nur ganz bestimmte Sachen machen, und vieles blieb in der Verantwortung der examinierten Kräfte. Wenn man dann fertig ist, alles alleine regeln soll und die Verantwortung ganz alleine trägt, ist das schon etwas ganz anderes. Vor allem wenn ich wegen Krankheitsausfällen auf mich alleine gestellt war. Und die Arbeitsbelastung nimmt enorm zu, auch psychisch. Während der Ausbildung hatte man etwa drei bis vier Patienten, die man weitgehend alleine betreut hat. Aber jetzt, wo man fertig ist, sind das acht oder zwölf Patienten. Ohne dass da jemand da ist, den man fragen kann.

Bei mir persönlich ist es ein wenig anders, weil ich ja auf der Intensivstation eingesetzt bin. Da habe ich nur zwei Patienten zu betreuen, aber die wesentlich intensiver, und die sind auch viel instabiler als die auf den Stationen während meiner Ausbildung. Auch müssen wir oft Tätigkeiten übernehmen, die eigentlich Ärzten vorbehalten sind. Das war auch manchmal schon während der Ausbildung so, wie zum Beispiel Blutentnahmen oder die Erstgabe von Antibiotika. Das hat sich noch mal verstärkt. Bei mir kommen noch Veränderungen von Beatmungsparametern hinzu und andere Dinge, die eigentlich Aufgaben der Ärzte wären. Da wird viel in die Pflegeberufe delegiert, weil die Ärzte oft einfach nicht ansprechbar sind. Wenn ein Patient zum Beispiel starke Schmerzen hat, aber nichts in der Krankenakte angesetzt ist, dann gibt man dem etwas und bespricht das dann danach. Das wird auch so von einem erwartet, dass man erst mal eigenverantwortlich reagiert.

Bei den anderen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen gibt es aber auch einige, die nur einen befristeten Vertrag bekommen, obwohl sie die gleichen Leistungen haben. Als JAV sagen wir in solchen Fällen ganz klipp und klar, dass das so nicht geht. Das wird dann auch meist relativ schnell geändert. Aber wir haben auch Tochtergesellschaften, die Auszubildende übernehmen sollen. Und da gibt es meist nur befristete Stellen und auch Probezeiten. Wir als JAV sagen den Auszubildenden: Bewerbt euch lieber bei eurer Muttergesellschaft. Das sagen wir auch immer wieder der Geschäftsführung. Und das hat zumindest bei Teilen der Tochtergesellschaften dazu geführt, dass sie die Leute dort zu den gleichen Bedingungen übernehmen. Dennoch ist das für uns immer wieder eine Baustelle.

Ausgetreten aus ver.di ist bei uns nach der Ausbildung niemand, soweit ich das überblicke. Wir haben im Jugendbereich hier sogar eher eine positive Mitgliederentwicklung. Von denen, die bisher nicht gewerkschaftlich organisiert waren, sind jetzt einige erst im dritten Lehrjahr eingetreten und aktiv geworden. Das liegt oft auch daran, dass sich viele erst später damit beschäftigen und vielleicht auch reifer dafür sind. Gewerkschaften werden in der allgemeinen Bildung und in der Berufsschule ja kaum thematisiert. Und wenn, fehlt oft der betriebliche Anknüpfungspunkt. Wenn es dann auf den Abschluss zugeht, kommt die Unsicherheit auf, wie es mit einem weitergeht. Und dann kommt auch das Verständnis dafür, wozu es Gewerkschaften braucht.

"Es ist sinnvoll, die Auszubildenden zu übernehmen, das hat auch die Geschäftsführung eingesehen"