Gesundheit geht vor, auch bei den Klinikbeschäftigten

Als die Beschäftigten der bundesdeutschen Kliniken Mitte Juni den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Krankhausreform zu Gesicht bekamen, war das für viele eine schwere Enttäuschung. Statt einer gesetzlichen Personalbemessung nur lahme Ansätze dazu. "Die Regierung kennt die dramatischen Auswirkungen der Personalnot auf die Patienten, aber sie handelt nicht", sagte Stefan Röhrhoff vom ver.di-Landesbezirk Hessen. 162.000 fehlen insgesamt, allein in Hessen beläuft sich das Minus auf 11.000 Stellen, davon 5000 in der Pflege. Am 24. Juni 2015 um Punkt 13 Uhr demonstrierten quer durch die Republik die Beschäftigten, um auf die fehlenden Stellen hinzuweisen. Sie machten die Personalnot sichtbar, indem sie Schilder mit Nummern von 1 bis 162.000 hochhielten - eine bundesweite Kette des Protests.

In Hessen beteiligten sich Beschäftigte aus 55 Krankhäusern, unter anderem des Lahn-Dill-Klinikums, des Uni-Klinikums Gießen-Marburg, der Kliniken in Fulda, Bad Hersfeld und Kassel, Vitos Kurhessen, des Gesundheits- und Pflegezentrums Rüsselsheim, der Kreisklinik Groß-Gerau und des Klinikums Höchst. Ein kleiner Scheinwerfer sei als Beispiel auf das Klinikum in Hanau gerichtet: 222 Karten mahnten hier die fehlenden Stellen an. Und zwar für alle Berufsgruppen.

Pflegearbeit nicht im Galopp

Zur gleichen Zeit tagten in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) die Gesundheitsministerkonferenz der Länder und in Berlin der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. ver.di fordert eine gesetzlich festgelegte Personalbemessung in den Krankenhäusern und deren Finanzierung sowie ausreichende Krankenhausinvestitionen durch die Bundesländer.

Klaus Handschur, Betriebsratsvorsitzender des Universitätsklinikums Gießen-Marburg am Standort Gießen, sagt: "Das, was die Krankenhausreform vorlegt, ist nichts als ein Tropfen auf einen glühend heißen Stein. Es muss mehr Geld ins System. Es kann nicht mehr hingenommen werden, dass die Qualität nur aufrechterhalten werden kann auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten." Das gelte für alle, von der Verwaltung bis zur Pflege. Denn die Arbeitsverdichtung habe enorm zugenommen, so der Gewerkschafter. "Pflegearbeit lässt sich aber nicht im Galopp tun. Zur Gesundung von Patienten gehört, dass man individuell auf sie eingehen kann. Und Pflege darf die Pflegenden nicht krank machen. Sonst fällt es jungen Leuten immer schwerer, sich für diesen Beruf zu entscheiden."

Warnstreik beim Uniklinikum

Der Gewerkschafter war an diesem Aktionstag schon seit sechs Uhr morgens auf den Beinen. Denn für die Uniklinik geht es auch um die laufende Gehaltstarifrunde. Seit April ziehen sich die Verhandlungen hin. Also war der Tag der Einstellungen fordernden Schilder auch ein Tag des Warnstreiks. Gehalt, Wertschätzung und Arbeitsbedingungen hängen für Klaus Handschur eng zusammen. Deshalb: 7,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens 120 Euro, Erhöhung der Nachtzuschläge und ein Plus für Auszubildende und Praktikanten in Höhe von 120 Euro. Rund 500 Streikende und Demonstrierende zogen durch die Gießener Innenstadt. Synchron waren die Marburger Klinikbeschäftigten aktiv. Auch bei ihnen: Start mit Warnstreik in der Frühschicht. Bei der anschließenden Aktion zählte man 800 hochgehaltene Schilder für jede fehlende Stelle. Ihr nächstes Ziel: die Kundgebung auf dem Marktplatz .

Eine so breit getragene Aktion hat es bisher im deutschen Gesundheitswesen noch nicht gegeben. Unterstützung kam auch von der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes, der Krankenhausgesellschaft der Freien Hansestadt Bremen e.V. und dem Klinikverbund Hessen e.V.