Streiken für ein Zukunftskonzept

Eine klare Ansage vor der Real-Zentrale in Mönchengladbach

Angst um ihren Arbeitsplatz durch die jährliche Bekanntgabe von Filialschließungen und angesichts sinkender Umsätze kennen die Beschäftigten der zum Metro-Konzern gehörenden SB-Warenhauskette Real seit längerem. Vor einem knappen Jahr kündigte die Geschäftsleitung mit dem Ausstieg aus der Tarifbindung allerdings auch noch den Minimalkonsens allgemein akzeptierter Entgeltregeln auf. In den Verhandlungen über einen Zukunftstarifvertrag, die ver.di seitdem mit Real geführt hat, forderten die Arbeitgeber bisher immer nur den weiteren Verzicht der Beschäftigten. Den setzen sie voraus, bevor sie bereit sind, in die notwendige Modernisierung und Neuausrichtung der Märkte entsprechend den sich verändernden Kundenanforderungen zu investieren. Das brachte tausende Mitarbeiter/innen aus mehr als 140 Filialen im März in fast allen Teilen der Republik zu Streiks auf die Straßen.

Für das Überleben von Real und den Tarifvertrag

"Wir sind bereit, für das Überleben von Real zu kämpfen", sagte bei einer Streikversammlung der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Unternehmens, Werner Klockhaus. "Allerdings kämpfen wir auch für einen Tarifvertrag mit Gehältern, die das Leben lebenswert machen."

Zuvor hatte der Arbeitgeber in fünf Verhandlungsrunden über einen Zukunftstarifvertrag mit ver.di immer nur weitere Verzichtsforderungen aufgestellt. Ein tragfähiges Konzept für die Sicherung des Unternehmens konnte er bisher nicht präsentieren.

Nachdem die Beschäftigten durch die Tarifflucht von Real bereits durchschnittlich 4,5 Prozent weniger Gehalt bekommen als ihre Kolleg/innen in tarifgebundenen Einzelhandelsbetrieben, will der Arbeitgeber seinen rund 38.000 Beschäftigten nun noch tiefer ins Portemonnaie greifen: So möchte er das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld um 75 Prozent kürzen - wodurch nach der Berechnungen der ver.di eine Verkäuferin in der höchsten Tarifstufe jährlich 2.050 Euro weniger Einkommen hätte. Außerdem will die Geschäftsleitung die Nachtzuschläge in der Zeit von 20 bis 22 Uhr von 50 bzw. 55 auf 20 Prozent senken. Schließlich sollen zwölf bis 17 der momentan noch 293 Filialen geschlossen werden. Diese neuerlichen Verzichtsforderungen summieren sich immerhin auf ein Gesamtvolumen von 400 Millionen Euro. "Die Beschäftigten nehmen solch‘ drastische Einschnitte nicht hin, die zudem am eigentlichen Problem des Unternehmens erkennbar nichts verändern werden, nämlich an den sinkenden Umsätzen und damit Marktanteilen", erklärte Stefanie Nutzenberger, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für den Handel, anlässlich der bundesweiten Streiks bei Real.

Versäumnisse des Managements

Metro-Chef Olaf Koch behauptet derweil, die Personalkosten bei Real lägen rund 30 Prozent über denen der Wettbewerber, ohne das jedoch konkret zu belegen. Möglicherweise sollen solche Äußerungen über die vielfältigen Versäumnisse des Managements bei der Modernisierung der Märkte hinwegtäuschen. Ende März hieß es nun jedenfalls, Metro werde Mitte 2017 den gesamten Konzern in zwei voneinander unabhängige Aktiengesellschaften teilen: die Lebensmittelanbieter Metro Cash &Carry und Real auf der einen Seite, die Elektronikhändler Media-Markt und Saturn auf der anderen. Allerdings war kürzlich auch schon von einem Verkauf von Real-Filialen die Rede, was bisher vom Unternehmen weder bestätigt noch dementiert wurde.

Fest stehe, sagt Stefanie Nutzenberger, dass die Beschäftigten nicht für Fehlentscheidungen des Vorstands und der Geschäftsleitungen verantwortlich seien. Für gute Arbeit müsse es weiter gute Bedingungen und klare Regeln für die Rückkehr in die Flächentarifverträge geben. Die ver.di-Tarifkommission will in einem Zukunftstarifvertrag unter anderem die Sicherung von Standorten und Stellen vereinbaren. Basis für den auf maximal drei Jahre zu begrenzenden Vertrag solle, so Nutzenberger, ein tragfähiges Zukunftskonzept sein, an dessen Erarbeitung Beschäftigte und Betriebsräte mitwirken müssten. Schließlich sei es dringend nötig, dass das Unternehmen in die Real-Märkte investiere.

1.700 Streikende allein in NRW

Allein in Nordrhein-Westfalen beteiligten sich am 10. März landesweit mehr als 1.700 Real-Beschäftigte aus 74 Märkten an den Streiks, um ihre Forderungen nach Rückkehr in die Tarifbindung und nach Zukunftskonzepten ohne weiteren Entgeltverzicht zu untermauern.

"Der Arbeitgeber muss endlich etwas Konkretes auf den Verhandlungstisch packen", sagte Silke Zimmer, die Leiterin des ver.di-Landesfachbereichs Handel in NRW. Werden solche Angebote nicht bald vorgelegt, sind Arbeitskämpfe in der Zukunft nicht auszuschließen.

Am 14. April - nach Redaktionsschluss - trafen sich knapp 2.000 Betriebsräte, Mitglieder der ver.di-Tarifkommission und Führungskräfte des Unternehmens in Neuss, um vom Vorstandsvorsitzenden der Metro AG eine Antwort auf die Frage zu erhalten, wie es zukünftig im Unternehmen weitergehen soll.