Ausgabe 05/2016
Reale Zukunft
Die Aktionen der Real-Beschäftigten haben sich gelohnt
"Für mich ist das Eckpunktepapier ein richtiges Sahnestück geworden!" Susanne Meister scheut sich nicht vor klarer Zustimmung, fügt aber doch hinzu, es gebe natürlich auch Punkte, die ihr "gar nicht schmecken". Sie arbeitet seit 31 Jahren bei Real in Bremen, ist Mitglied der ver.di-Tarifkommission und weiß, dass viele ihrer Kolleginnen und Kollegen im April bundesweit mit der Schließung der Märkte gerechnet haben, mit dem Ausverkauf, mit Entlassungen. Die Stimmung bei vielen war schlecht, sie wollten gern bei Real bleiben, sahen aber kaum noch eine Chance dafür. "Wir standen vor dem Abgrund", sagt Meister. "Dass wir jetzt so ein Ergebnis rausgeholt haben, habe ich nicht erwartet." Sie seien noch gut rausgekommen aus einer sehr schweren Situation.
Im Juli werden nun bundesweit die Mitglieder nach ihrem Urteil über das Verhandlungsergebnis gefragt. Ende des Monats sehen die Mitglieder der Tarifkommission sich das Votum genau an und entscheiden dann endgültig über den Zukunftstarifvertrag. Sie empfehlen allen ver.dianer/innen bei Real, dem Papier zuzustimmen.
Eine Milliarde für die Märkte
"Am wichtigsten ist die Beschäftigungs- und Standortsicherung - gemeinsam mit der Rückkehr in den Flächentarifvertrag im Jahr 2018", urteilt ver.di-Verhandlungsführerin Stefanie Nutzenberger. "Nur einer dieser beiden Punkte wäre für uns nicht akzeptabel gewesen. Es geht um beides. Unser Ziel ist ein Flächentarifvertrag, der allgemeinverbindlich ist und also auch für Real gilt."
265 der derzeit 283 Real-Märkte bekommen eine Bestandsgarantie. In diesen Häusern sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Das Unternehmen verpflichtet sich außerdem, über fünf Geschäftsjahre insgesamt eine Milliarde Euro in die Märkte zu investieren. "Aber es war klar", sagt Nutzenberger, "für eine Standort- und Beschäftigungssicherung fordert das Unternehmen einen materiellen Anteil von den Beschäftigten. Es geht um einen ernstzunehmenden Verzicht". Die Tarifkommission habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sie habe gründlich abgewogen und sich schließlich für das Gesamtpaket entschieden. Verzicht - das heißt: Die Beschäftigten bekommen für 2015 und die beiden folgenden Jahre keine Lohnerhöhungen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden von 2017 bis 2019 gekürzt. Nur Auszubildende sind von den Einsparungen ausgenommen.
"Wir gehen davon aus, dass das Unternehmen im Gegenzug zu dem Verzicht, der den Beschäftigten abverlangt wird, auch seine Hausaufgaben macht", so Stefanie Nutzenberger. "Dass es investiert, dass entsprechende Umsätze generiert werden." Ziel sei ein Tarifvertrag, der die Zukunft des Unternehmens und der Arbeitsplätze sichert. "Wir erwarten, dass das Unternehmen seinen Teil dazu beiträgt, und zwar ab jetzt."
Bonus für ver.di-Mitglieder
Susanne Meister hält drei Punkte für besonders wichtig. Neben der Rückkehr in den Flächentarifvertrag ist das zuallererst die Vorteilsregelung für ver.di-Mitglieder, die eine prozentuale Sonderzahlung als Ausgleich für die Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen. "Das ist nur gerecht", sagt sie. "Und gut ist auch, dass es keine neuen Billig-Entgeltgruppen für sogenannte Ladenverkäufer geben wird, die das Unternehmen verlangt hat."
Anfang Juli hat Susanne Meister ihren Kolleg/innen auf einer Betriebsversammlung das Papier präsentiert und die Empfehlung der Tarifkommission erläutert. "Natürlich sind meine Kollegen nicht wirklich zufrieden", sagt sie. "Wer gibt schon gerne Geld ab?" Mit dem Verzicht sei jetzt die Grenze erreicht, für alle, auch für sie selbst. "Wenn wir noch weniger verdienen würden, könnten wir es uns nicht mehr leisten, bei Real zu arbeiten. Jetzt geben meine Kollegen dem Unternehmen noch eine Chance." Sie rechnet bei der Mitgliederbefragung mit Zustimmung - und bei den anderen Real-Beschäftigten mit noch einigen ver.di-Eintritten. Sie hat sie deutlich aufgefordert: "Wenn Ihr Kaufleute seid, dann rechnet Ihr jetzt mal vernünftig."
Eckpunkte für einen Zukunftstarifvertrag
- Laufzeit: bis Ende 2019
- Erhalt von 265 der 283 Real-Märkte
- 1 Milliarde Euro Investitionssumme über fünf Jahre
- Keine Entgelterhöhungen für 2015, 2016 und 2017
- Reduzierung des Urlaubsgeldes 2017 bis 2019 auf 40 Prozent
- Reduzierung des Weihnachtsgeldes 2016 bis 2018 auf 40 Prozent, 2019 auf 70 Prozent
- Prozentuale Sonderzahlung für ver.di-Mitglieder
- Keine Einsparungen bei den Azubis
- Beteiligung der leitenden Angestellten an den Einsparungen mit 18,5 Millionen Euro
- Ab Oktober diesen Jahres verhandeln die Tarifpartner eine neue Entgeltsstruktur. Gibt es bis 31. März 2018 keine Einigung, werden die regionalen Entgelttarifverträge wieder angewendet.