Robert Winterstein, ist mit 109 Jahren das älteste ver.di-Mitglied überhaupt - und dabei immer noch "pumperlgsund" und unternehmungslustig

Frank Bsirske zu Besuch an Robert Wintersteins Frühstückstisch

"Sie bringen mir Luft aus Berlin mit", sagt Robert Winterstein zur Begrüßung, als Frank Bsirske durch die Tür tritt. "Da bewundere ich Sie, dass Sie diese weite Strecke bereits so sportlich bewältigt haben", sagt er. "Ich bin nur vom Schlafzimmer in die Küche rüber!" Tatsächlich war der Gewerkschaftsvorsitzende schon um 6 Uhr früh am Berliner Flughafen, um Robert Winterstein in München zu besuchen. Der Terminkalender ist voll. Aber Bsirske möchte das älteste ver.di-Mitglied gerne persönlich kennenlernen.

1936 trat Robert Winterstein, gelernter Elektroinstallateur und Elektromaschinenbauer, in Gotha der Gewerkschaft bei. 29 war er damals. 80 Jahre liegt das zurück. 109 Jahre alt ist er heute. "Ich muss selbst immer wieder nachrechnen, wie alt ich bin", sagt Winterstein lachend.

Im Balkonzimmer betrachtet der Vorsitzende eine kleine Ehrenurkunde. "Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr überreicht diese Urkunde in dankbarer Anerkennung für 25-jährige treue Mitgliedschaft in der Gewerkschaftsbewegung", steht darin. Das war am 1. Juni 1978. Die Unterlagen aus Robert Wintersteins frühen Gewerkschaftszeiten sind verlorengegangen. Erst ab 1953 ist die Mitgliedschaft dokumentiert. Auch ein Gewerkschaftsbuch gibt es seit dieser Zeit, mit bunten Marken für das, was eingezahlt wurde. 3,20 Mark pro Monat im Jahr 1956, 5,20 Mark dann schon ein Jahr später. Sechs Mark waren es 1963. Und noch immer zahlt Robert Winterstein seinen Beitrag, Monat für Monat. Selbstverständlich sei es für ihn gewesen, erzählt der Sohn Michael, der seinen Vater im Alltag unterstützt, dass Arbeitnehmer eine Vertretung brauchen.

Mit Block und Stift auf Wanderschaft

Winterstein war in Gotha bei der Thüringer Elektricitätslieferungsgesellschaft angestellt, in Graz bei der Steierischen Wasserkraft- und Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, in München bei den Isar-Amper-Werken, die heute zur Bayernwerk AG gehören. Er konstruierte Schaltanlagen und Elektromaschinen. Neben seiner Arbeit betrieb der gebürtige Chemnitzer anthroposophische Studien. Jahrelang pflegte er seine Frau, die an Multipler Sklerose erkrankt war. Nach ihrem Tod fand er in den 90er eine neue Partnerin, sie starb einige Monate vor seinem hundertsten Geburtstag.

Vor Winterstein liegt ein Album mit Zeichnungen. Er hat sie selbst angefertigt, 1928 und 1929, als er monatelang auf Wanderschaft war, mit Block und weichem Bleistift. Er zeichnete mit sicherem Strich, was ihn beeindruckte: Burgen, Dörfer, Landschaften. Auch eine Windmühle ist darunter. "Das ist heute wieder aktuell", sagt er, "die Ausnutzung der Windkraft." "Pumperlgsund und fit" sei sein Vater, sagt Michael Winterstein. Vielleicht, weil er sein Lebtag nicht geraucht und nur selten mal ein Glas Sekt getrunken hat. Vielleicht, weil er sich immer schon vegetarisch ernährte. Aber eigentlich, vermutet der Sohn, sei etwas anderes der Grund für sein langes Leben: "Seine positive Lebenseinstellung." Robert Winterstein fällt ein Gedicht ein: "Hab Sonne im Herzen", sagt er, "ob ́s stürmt oder schneit/ob der Himmel voll Wolken, die Erde voll Streit!/Hab Sonne im Herzen/dann komme was mag!/Das leuchtet voll Licht dir den dunkelsten Tag." Frank Bsirske verabschiedet sich mit dem Versprechen, zum 110. Geburtstag am 6. September wieder vorbeizukommen. "Bis demnächst", sagt er. Robert Winterstein antwortet fröhlich: "Wenn ́s passt!" Monika Goetsch

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