"Das stemmen wir nur alle zusammen!"

Kerstin David

ver.di publik - Die Tarifrunde für die Beschäftigten bei Versicherungen startet bald, die ver.di-Tarifkommission hat die Forderungen beschlossen. Bei den Löhnen und Gehältern werden 4,5 Prozent mehr gefordert. Worum geht es noch?

Kerstin David - Natürlich ist die angemessene Gehaltsforderung notwendig, genauso wie die Forderung nach 50 Euro mehr für die Auszubildenden und die Übernahme der Azubis nach ihrer Ausbildung. Im Mittelpunkt dieser Tarifrunde steht aber unsere Forderung nach einem Zukunftsvertrag Digitalisierung. Eine sichere Perspektive für die Beschäftigten - das ist elementar.

ver.di publik - Inwieweit wirkt sich die Digitalisierung auf die Versicherungsbranche aus?

David - In jedem Fall mit dem Abbau von Arbeitsplätzen. Immer mehr Vorgänge können maschinell bearbeitet werden. Beschäftigungssicherung muss deshalb der erste Kernpunkt in einem Zukunftstarifvertrag sein. Der zweite betrifft die Qualifizierung, die unsere Kollegen für die sich schnell verändernde Arbeit dringend brauchen. Und das dritte Thema sind die neuen Arbeitsformen, die zunehmende Mobilität, die ständige Verfügbarkeit. Dafür brauchen wir klare Regelungen für Arbeitszeit und -schutz. Arbeitszeit muss planbar bleiben, irgendwann muss auch Feierabend sein.

ver.di publik - Vor dem Forderungsbeschluss habt Ihr zum ersten Mal alle Beschäftigten nach ihrer Meinung gefragt, nicht nur die ver.di-Mitglieder. Wie war das Ergebnis?

David - Circa 5.400 Beschäftigte haben trotz der sehr kurzen Befragungszeit direkt vor Weihnachten auf unsere Umfrage geantwortet und gezeigt, dass wir mit unseren Themen den Nerv der Kolleginnen und Kollegen getroffen haben. Wie die Tarifkommission halten auch sie neben einer angemessenen Gehaltserhöhung die Fragen der Zukunftssicherung für besonders wichtig. Damit und mit der Beteiligung an der Umfrage war ich sehr zufrieden.

ver.di publik - Und womit nicht?

David - Sagen wir es so: Die Bereitschaft der Kollegen, sich selbst zu beteiligen, muss noch besser werden. Viele fanden es gut, dass diesmal alle befragt wurden, aber diese Zustimmung reicht nicht.

ver.di publik - Welche Unterstützung braucht ihr von den Beschäftigten?

David - Den persönlichen Einsatz. Die Zeiten, in denen wir mit Flugblättern und Infoständen auskamen, sind vorbei. Wir müssen in dieser Tarifrunde mit möglichst vielen Kollegen in allen Betrieben reden. Die Aktiven müssen auf alle zugehen und ihnen klarmachen, dass wir ohne sie nichts erreichen können. Das Thema Digitalisierung ist das beherrschende in allen Häusern, dadurch hat man gute Anknüpfungspunkte. Viele Leute kommen von selbst zu den Betriebsräten und sagen: "Dafür muss es doch Regelungen geben." Und schon ist man mit ihnen im Gespräch.

ver.di publik - War die Digitalisierung auch Schwerpunkt auf der ver.di-Branchenkonferenz im Januar?

David - Ja, und es hat sich gezeigt, dass auch die Arbeitgeber diesen Punkt sehen, doch sie haben großes Interesse daran, das betrieblich zu regeln, jeder für sich. Seitdem das auf der Konferenz klar wurde, kommen viele unserer Betriebsräte auch zu den ver.di-Gremien auf Landesebene und wollen sich informieren und beteiligen. Und genau darum geht es: zu verstehen, dass wir das Thema Zukunftsgestaltung nur alle zusammen stemmen können. Mit vielen Leuten auf der Straße. Aber es wird nicht leicht.

Interview: Claudia von Zglinicki

https://fidi.verdi.de/versicherungen/tarif

"Die Zeiten, in denen wir mit Flugblättern und Infoständen auskamen, sind vorbei Wir müssen in dieser Tarifrunde mit möglichst vielen Kollegen in allen Betrieben reden"