Ana Mesic geht in Rente

Zum Abschied haben sie ihr eine Kittelschürze geschenkt. Auf der linken Seite ist ihr Name aufgestickt: Ana Mesic. 45 Jahre lang hat sie im Frankfurter Gewerkschaftshaus gearbeitet, so lang wie keine andere. Sie bohnerte die Linoleumböden in den Fluren, stellte Tischgruppen für Sitzungen zusammen, sie wischte, sie fegte, sie saugte. Gab es eine Feier in den großen Sälen, machte Ana Mesic die Garderobe. Hatten die Gewerkschaftssekretärin oder der Verwaltungsangestellte Urlaub, goss Kollegin Mesic die Büropflanzen. "Ich bin Reinigungskraft", sagt sie bescheiden von sich. Andere sagen: "Sie ist wie eine Hauswirtschafterin, sie kümmert sich einfach um alles." Wenn vor Weihnachten für sie gesammelt wurde, hieß es: "Für unsere Perle Ana". Die Perle war auch Seelentrösterin. Im Laufe der Jahrzehnte hat Ana Mesic so manche Träne getrocknet, die hinter geschlossenen Bürotüren vergossen wurde.

"Das hat mich erfüllt"

Die junge Frau war 19 Jahre alt, als sie im Gewerkschaftshaus anfing. Das war 1972. "Es gab keine Bewerbung, gar nix. Eine Freundin hat beim Chef ein gutes Wort eingelegt, der sagte dann, die soll kommen, und ich war eingestellt. Am nächsten Tag habe ich angefangen." Und sie blieb. 45 Jahre lang.

Als 16-Jährige hatte sie im früheren Jugoslawien die Schule abgebrochen und war abgehauen, nach Deutschland. Arbeiten und Geld verdienen wollte sie. In Frankfurt lernte sie ihren späteren Mann kennen - der aus dem Nachbardorf in Kroatien kam. "Wir haben uns gesehen und am gleichen Abend noch ausgemacht, dass wir heiraten. Sechs Wochen später waren wir ein Ehepaar." Sie bekamen zwei Söhne, bauten ein Haus in der Heimat. Ein Leben lang arbeiten für die Familie. Ein Arbeitsleben lang putzen für die Gewerkschaft. Ana Mesic hat es mit Liebe gemacht: "Das hat mich erfüllt. Ich wollte, dass die Menschen zufrieden sind, nicht nur, dass ich meinen Lohn erhalte."

Ute Fritzel