Von Heike Langenberg

Für rund 600 Beschäftigte des privaten Entsorgers Remondis in Norddeutschland gab es Ende Januar eine böse Überraschung. Die Geschäftsführung der Remondis GmbH & Co. mit Sitz in Melsdorf bei Kiel teilte ihnen mit, dass sie künftig nach den jeweils geltenden regionalen Tarifverträgen der Gütertransportbranche bezahlt werden und nicht mehr nach dem des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE). Rechnet man die jetzt wegfallende Jahressonderzahlung mit ein, bedeutet der Branchenwechsel für die Beschäftigten Einbußen von bis zu 650 Euro im Monat, sagt Matthias Krämer, der bis Ende Januar dem Betriebsrat angehört hat.

Die Beschäftigten seien "stinkesauer", so Krämer. Sie empfänden das als eine Entwertung ihrer jahrelangen Arbeit. Zwar habe der Arbeitgeber angekündigt, dass der Besitzstand der Beschäftigten über eine Zulage gewahrt werde. Die will er aber bei zukünftigen Lohnsteigerungen abschmelzen.

Für den ehemaligen Betriebsrat kam der Austritt aus der BDE-Tarifbindung überraschend. Die Geschäftsführung hatte noch bis Ende vergangenen Jahres über einen Haustarifvertrag verhandelt. Im Dezember ging es nur noch um eine Detailfrage, erinnert sich Krämer. Aber ein Ergebnis kam nicht zustande. Krämer geht davon aus, dass der Tarifwechsel schon länger geplant gewesen sei.

Regelungen kritisch für Neueingestellte

Den bundesweit geltenden Tarifvertrag des BDE hatte ver.di 2016 gekündigt. "Der Tarifvertrag enthielt Regelungen, die insbesondere für Neueingestellte kritisch waren", sagt ver.di-Bundesfachgruppenleiterin Katrin Büttner-Hoppe. Deren Gehälter lagen um 20 Prozent unter denen von langjährigen Beschäftigten, Stufensteigerungen waren nicht mehr vorgesehen. Über diese wollten die Arbeitgeber nicht verhandeln, daraufhin entschied sich die ver.di-Tarifkommission, die Verhandlungen ergebnislos zu beenden. Der BDE-Vertrag wirkt nur noch nach.

Seither schließt ver.di im ganzen Land Haustarifverträge ab, unter anderem auch kürzlich für Remondis-Beschäftigte in Nordrhein-Westfalen. Für Büttner-Hoppe sind gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung dringend notwendig, auch damit die private Entsorgungsbranche im Wettbewerb um Arbeitskräfte mithalten kann. Denn der Altersdurchschnitt in der Branche liegt bei 55 Jahren, zudem werden Arbeitskräfte wie Fahrer auch in anderen Branchen gesucht. Matthias Krämer weiß, dass die Geschäftsführung Einzelnen Zulagen von bis zu 1,50 Euro pro Stunde zahlen möchte. "Dann hätte man auch in den alten Strukturen bleiben können, das macht doch alles keinen Sinn", sagt Krämer.

Bei anderen privaten Entsorgern sind die Geschäftsführungen durchaus einsichtiger. Ende Oktober hat ver.di bei der Stadtreinigung Dresden einen Haustarifvertrag Vergütung ausgehandelt, der die Gehälter von Neueingestellten schneller an die von langjährigen Beschäftigten angleicht. Hinzu kam eine Vorteilsregelung für ver.di-Mitglieder im Wert von 100 Euro. "Wir haben alle Beschäftigten schon im Vorfeld einbezogen", erklärt der Betriebsratsvorsitzende Frank Görner die hohe Solidarität unter den Beschäftigten. Und der Arbeitgeber sei mit der Politik des BDE nicht zufrieden gewesen, hatte durchaus Interesse an einer einvernehmlichen Regelung.

Bei dem bundesweit agierenden Entsorger Veolia gilt seit kurzem ein flächendeckender Manteltarifvertrag, das Entgelt wird in den vier Regionen jeweils per Haustarifvertrag geregelt. Auch hier wollte der Arbeitgeber durchaus einheitliche Arbeitsbedingungen im Konzern festschreiben, sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende Hartmut Dettmann. Denn auch für Veolia sei es zur Zeit schwer, neue Mitarbeiter zu bekommen. Schwierig sei aber, dass sich die Kommunen bei Ausschreibungen fast immer für den billigsten Anbieter entscheiden. Das fördere das Lohndumping.

Dem könnte ein bundesweit geltender Flächentarifvertrag für die Branche entgegenwirken. Allerdings, so fordert ver.di, müssten die bisherigen Nachteile für Neueingestellte beseitigt werden. Auch Remondis hatte im Norden die Konkurrenzsituation in der Branche beklagt. Allerdings könne die Flucht in einen anderen, für den Arbeitgeber günstigeren Tarifvertrag kein Weg sein, sagt Katrin Büttner-Hoppe. Sie ist optimistisch, dass die derzeit laufenden Spitzengespräche zu einer Lösung führen werden.

Angehen will ver.di neue Verhandlungen über einen branchenweiten Mindestlohn. Zuletzt lag er bei 9,10 Euro pro Stunde. Auch BDE und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände haben ihr Interesse daran signalisiert. Aber für ver.di ist klar: Das Ergebnis muss zweistellig sein.

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