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Ein Bett im Kornfeld wäre zwar besser, aber notfalls tut's der Schreibtisch auchMichael Winokur/Aurora/Laif

Als Stefan F. am Montag in sein Büro kommt und den Computer hochfährt, ploppen 37 neue Mails auf. Drei zusätzliche Termine stehen diese Woche an, zwei Deadlines wurden vorverlegt. Und sein Kollege hat sich krankgemeldet. Stefan hat noch nicht mal die erste Mail beantwortet, da klingelt schon sein Telefon. Der Chef will ihn bei einer Besprechung am späten Nachmittag dabeihaben. Auf Stefans Handy leuchtet zeitgleich eine Erinnerung an den heutigen Elternabend auf. Wie soll er das bloß alles schaffen? Stefan bekommt Herzrasen, er ist fix und fertig und würde am liebsten sofort wieder nach Hause gehen.

Stefan F. fühlt sich immer öfter überlastet. Und damit ist er einer von vielen. Zeitdruck und Arbeitsverdichtung prägen für einen großen Teil der Beschäftigten in Deutschland den Arbeitsalltag (DGB-Index Gute Arbeit 2019, siehe S. 5). Neben Personalmangel ist die stetige Beschleunigung von Arbeitsprozessen durch Digitalisierung ein Grund. Viele Beschäftigte berichten von zusätzlichen Anforderungen durch mehr Multitasking und eine steigende Komplexität der Aufgaben. Die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen sind enorm. Laut der DGB-Umfrage fühlt sich jede*r dritte Beschäftigte nach der Arbeit häufig leer und ausgebrannt.

Kein Wunder also, dass die Krankschreibungen wegen Burnout zunehmen. Über Burnout-Symptome – ständige Überforderung, körperliche und geistige Erschöpfung – klagen laut der Krankenkasse pronova BKK sechs von zehn Befragten. Und psychische Erkrankungen wie Burnout, Depressionen und Angststörungen sind mit 37 Prozent die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit in Deutschland (Erhebung Swiss Life). Innerhalb von zehn Jahren stieg dieser Anteil um 40 Prozent.

Für gesunde Arbeitsbedingungen muss der Arbeitgeber sorgen. Da die Realität jedoch oft anders aussieht, hier ein paar praktische Tipps, was man selbst tun kann, um zu entschleunigen und einem Burnout vorzubeugen:

Grenzen setzen: Viele müssen es mühsam lernen: das Neinsagen. Wer regelmäßig für andere einspringt und Liegengebliebenes aufarbeitet, erhält dafür selten Dank, wird aber den zunehmenden Stress spüren. Um sich gegen permanente Überforderung rechtzeitig zu wehren, muss man auch mal freundlich "nein" sagen – egal ob zu Kolleg*innen oder zum*zur Chef*in. Gut ist es auch, Aufgaben zu delegieren. Man muss nicht immer alles selber machen!

Nicht ablenken lassen: Wer glaubt, jede E-Mail umgehend beantworten zu müssen, setzt sich zu hohem Druck aus. Ständige Unterbrechungen setzen unter Stress, weil sie die Konzentration stören. Man kann also auch viel effektiver arbeiten, wenn man Mail-Zeiten eingrenzt. Zum Beispiel: pro Stunde eine bestimmte Zeitspanne für die Mailbearbeitung einplanen und außerhalb dieser Spanne das Postfach schließen.

Pausen machen: Wer unter Arbeitsüberlastung leidet, lässt Erholungspausen häufiger ausfallen. Aber Pausen während der Arbeit sind wichtig und keine verschwendete Zeit. Dazu hat ver.di viele Aktionen, insbesondere im Gesundheitswesen gemacht. Mehr über das Recht auf Pause und Tipps für er- holsame Mittags- und wirkungsvolle Kurzpausen: verdi.de/themen/arbeit/ aktionswoche-pause

Arbeitsplatz gemütlich gestalten: Eine angenehme Atmosphäre im Büro verbessert auch das Gefühl zur und bei der Arbeit. Pflanzen auf der Fensterbank, Fotos auf dem Schreibtisch, Poster an der Wand – mit wenig Aufwand kann man auch im Büro auf Entspannung schalten.

Echten Feierabend machen: Extrem wichtig ist die Erholung nach der Arbeit und am Wochenende. Zu viele Beschäftigte bleiben nach Feierabend für Kolleg*innen und Vorgesetzte erreichbar. Doch das Gehirn braucht Ruhephasen. Also: Diensthandy ausschalten und bis zum nächsten Dienstbeginn keine Arbeits-E-Mails mehr checken. ver.di streitet angesichts der digitalen Kommunikationsmittel auch für das Recht auf Nichterreichbarkeit.

Zuhause abschalten: Nach Feierabend geht es privat oft digital in hoher Geschwindigkeit weiter. Mails checken, Whats-App-Mitteilungen austauschen, Fotos bei Instagram posten und vieles mehr lassen den Abend schnell vergehen, ohne wirklich entspannt zu haben. Doch gerade wer im Büro viel am PC arbeitet, sollte am Feierabend abschalten. Und zwar wortwörtlich. Handy, Tablet & Co einfach mal runterfahren und stattdessen schöne Musik hören, einen tollen Roman lesen oder einfach auf der Couch tagträumen.

Richtig entspannen: Es gibt einige gute Entspannungstechniken. Hilfreich für Burnout-Gefährdete können Autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Meditation, Yoga, Qi Gong oder Tai-Chi sein. Volkshochschulen, Gesundheitszentren und Krankenkassen bieten entsprechende Kurse an. Viele Krankenkassen unterstützen die Teilnahme mit einem Zuschuss zur Kursgebühr.

In Bewegung bleiben: Sport ist ein gutes Mittel, um sich geistig und physisch zu erholen. Denn bei körperlicher Anstrengung werden Stresshormone abgebaut, das hilft zu entspannen. Ob Joggen, Schwimmen, Kampfsport oder Tanzen das Richtige ist, findet jede*r selbst heraus. Wichtig ist, hier nicht gleich wieder neuen Stress aufzubauen. Dreimal wöchentlich eine halbe Stunde Ausdauersport reicht nach Meinung vieler Gesundheitsexpert*innen. Und Bewegung ist auch während des Arbeitstages wichtig. Denn zu viel Sitzen erhöht das Risiko, psychisch zu erkranken. Das haben inzwischwen viele Studien gezeigt. Tipp 1: Alle halbe Stunde aufstehen und ein paar Minuten bewegen. Tipp 2: Einen kurzen Spaziergang zwischen zwei Besprechungen oder nach dem Mittagessen einlegen. Das bringt zusätzlich noch frische Luft in die Zellen und hilft, die Akkus aufzuladen.

Spaß haben: Sport macht ausge- glichener und schützt vor Depressionen. Doch auch weniger anstrengende Tätigkeiten wie Kino- oder Theaterbesuche, Treffen mit Freund*innen machen glücklich und helfen zu entspannen, so das Fazit einer Studie von Psychologen des University College London. Sie fanden heraus, dass auch durchweg angenehme Aktivitäten vor Depressionen schützen. Doch auch hier gilt: Auf die Dosis kommt es an. Wer Verabredungen als Extrastress wahrnimmt, sollte einen Gang zurückschalten.

Bewusst essen: Dass Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhalten, ist bekannt. Doch nicht jede Speise ist gute Kost für vielsitzende Beschäftigte. Lieber in der Mittagspause bewusst und außerhalb des Arbeitsplatzes Salat oder Obst genießen, als hektisch auf dem Arbeitsweg oder vorm Computer Snacks und Gebäck runterschlingen, die schwer im Magen liegen. Wer abends selbst Gekochtes isst, tut sich und seiner Gesundheit viel Gutes. Sich dazu zu zwingen, bringt nichts. Wichtig ist die Muße und Freude am Kochen und beim Essen.

Ausreichend schlafen: Mindestens sieben Stunden Schlaf pro Tag empfehlen Experte*innen, damit sich Körper und Geist regenerieren können. Zwischen Arbeitsende und Einschlafen sollte genügend Zeit vergangen sein, die mit Bewegung, Essen und Entspannung ausgefüllt war, sodass der Arbeitsstress nicht mit ins Bett geht. Und wer die Möglichkeit dazu hat: Ein kurzer Büroschlaf wirkt Wunder.

ver.di ist stetig im Einsatz für Gute Arbeit. Mehr dazu unter:

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