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ver.di und Fridays for Future demonstrieren gemeinsam für den Klimaschutz und den öffentlichen Nahverkehr in BerlinFoto: Christian Jungeblodt

ver.di und die Klimabewegung Fridays for Future fahren jetzt zusammen. Sie haben eine Allianz für bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr und für den Klimaschutz gebildet. Dabei sind sie sich einig: Eine Verkehrswende kann nur mit attraktiven Arbeitsplätzen und mehr Personal funktionieren. Deshalb bekommt ver.di in der aktuellen Tarifbewegung für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Unterstützung von den Klimaschützern. "Für Klimaschutz und eine echte Verkehrswende wird ein starker ÖPNV benötigt, hier treffen gemeinsame Interessen von ver.di und Fridays for Future aufeinander", sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle in einer gemeinsamen Pressekonferenz am 22. Juli.

Die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr sind bundesweit sehr verschieden. Es gibt keinen bundesweiten Tarifvertrag und auch kein einheitliches Tarifniveau. "Zuschläge, Belastungen und Einstiegsgehälter sind sehr unterschiedlich", erläuterte Behle. Um parallel zu verhandeln, hat ver.di die 16 Landestarifverträge zum 30. Juni gekündigt, außerdem will ver.di bundesweite Mantelbedingungen in einem Rahmentarifvertrag festlegen. Dazu hat die Gewerkschaft die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber zu Verhandlungen für die Beschäftigten in den kommunalen ÖPNV-Unternehmen aufgefordert. "Der Fokus liegt bei unseren bundesweiten Verhandlungen auf dem Thema Entlastung", kündigte Behle an. Aber auch elementare Standards sollen bundesweit vereinheitlicht werden. Bisher schwankt beispielsweise die Zahl der Urlaubstage zwischen 26 und 30 pro Jahr.

16 Tarifverträge

Parallel werden in den einzelnen Bundesländern die Löhne mit den Kommunalen Arbeitgeberverbänden in den 16 Tarifbezirken ausgehandelt. Auch hat jede Region unterschiedliche weitere Forderungen, da sich die Arbeitsbedingungen stark unterscheiden. Die Einstiegsgehälter sind verschieden, ein Bus- oder Bahnfahrer bekommt beispielsweise in Brandenburg 2.166, 96 Euro, in Hessen 2.295,25 Euro und in Nordrhein-Westfalen 2.418,91 Euro. In Thüringen gibt es schon die 38-Stunden-Woche, andernorts sind weiterhin 39 Stunden die Regel. Überwiegend gilt zudem: Die Beschäftigten in den Werkstätten erhalten für ihren belastenden Schichtdienst Zuschläge. Bus- und Bahnfahrer*innen sind jedoch trotz regelmäßiger Schichtarbeit davon ausgenommen.

Überstunden, erhöhte Taktzahlen beim Transport und keine Zeit für Toilettenpausen, auch das führt zu Frust bei den Busfahrer*innen. "Meine Begeisterung für den Beruf ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Die Belastung ist so hoch. Wir arbeiten an Weihnachten und an Silvester. Wir haben so viele Überstunden, die wir nicht abbauen können, wann wir möchten, zum Beispiel mal im Sommer", sagt Busfahrer Michael Schneider, der beim Dortmunder Verkehrsbetrieb DSW21 Betriebsratsvorsitzender ist. Die Belastungen seien in den letzten 15 Jahren sehr stark angestiegen.

Die Corona-Krise habe deutlich gemacht, dass die Beschäftigten im ÖPNV zu den Unverzichtbaren gehören, sagt Christine Behle. Trotz Infektionsgefahr seien sie täglich für die Fahrgäste unterwegs. Wegen der Pandemie sei die Tarifrunde unterbrochen worden, jetzt starte die Tarifbewegung #tvn2020 neu. ver.di fordert eine einheitliche Regelung von 30 Tagen Urlaub bei einer 5-Tage-Arbeitswoche und weitere individuelle Entlastungstage, eine neue Überstundenregelung, keine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten und die Vergütung von Fahrzeugverspätungen ab der ersten Minute. Für die Nachwuchsförderung müsse dringend etwas getan und die Ausbildungszeit soll anerkannt werden. 100 Prozent Jahressonderzahlung soll es für alle geben. Zuschläge bei Wechselschichten sollen auf der individuellen Gehaltsstufe bezahlt werden. Und auch im Fahrdienst muss es Schicht- und Wechselschichtzulagen geben.

Zu einem starken ÖPNV gehörten gute Arbeitsbedingungen und mehr Personal, so Christine Behle. Schon jetzt befördern 87.000 Beschäftigte in 130 kommunalen ÖPNV-Unternehmen täglich 13 Millionen Menschen. Bis 2030 werden im ÖPNV etwa 100.000 neue Beschäftigte benötigt, weil bis dahin jeder zweite in Rente geht. Weitere 15.000 zusätzliche Einstellungen werden gebraucht, um zu dem Stand im Jahr 2000 vor dem Beschäftigungsabbau zurückzukehren. Eine Verdoppelung des ÖPNV-Angebots für den Klimaschutz bräuchte noch mehr Menschen, allein rund 70.000 Beschäftigte im ÖPNV, hinzu kommen Kosten für Material und Ausbau von Schienen und Betriebsanlagen, größeren Fahrzeugen und Taktverdichtungen.

Solidarisch

Helena Marshall von Fridays for Future, FFF, sagte auf der Pressekonferenz im Juli, der Ausbau des ÖPNV werde nur mit guten und besser bezahlten Arbeits-plätzen gehen. Es gehe um mehr als um einen Tarifstreit, es gehe darum, wie Klimaschutz mit sozialen Fragen verbunden werde. Sie kündigte gemeinsame Aktionen an, sollte es zu Streiks kommen, werden sie neben den Beschäftigten stehen. "Als Fridays for Future stellen wir uns solidarisch hinter die Beschäftigten im ÖPNV und werden gemeinsam streiten für eine dringend nötige klimagerechte Verkehrswende und gute Arbeitsbedingungen in den Jobs der Zukunft."