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Die Neue, Katrin Vernau (li.), soll beim rbb aufräumenFoto: Christian Ditsch

Nicht nur der Ruf des rbb ist durch das Fehlverhalten seiner ehemaligen Intendantin in Mitleidenschaft gezogen. Die Affäre schadet vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Senders. In der Kritik: ein Intendantinnen-Gehalt von 303.000 Euro, fünfstellige Bonuszahlungen und dubiose Beraterverträge, dazu der Vorwurf der Vetternwirtschaft, fragwürdige Spesenabrechnungen und überteuerte Luxus-Ausstattungen für Büro und Dienstwagen. Zugleich ist der Sender chronisch klamm. Das Management kürzt und spart, wo es geht. Vor allem am Programm und bei seinen freien Mitarbeitenden.

ver.di publik: Die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger wurde fristlos entlassen, Wolf-Dieter Wolf ist als rbb-Verwaltungsratschef zurückgetreten und aus dem Gremium ausgeschieden, weitere personelle Konsequenzen folgen. Wie ist derzeit die Stimmung im Hause rbb und was sagen die Kolleginnen und Kollegen beim ARD, ZDF und Deutschlandradio?

Manfred Kloiber: Die Kolleg*innen vom rbb gehen unglaublich konstruktiv mit dieser Katastrophe um. Das eigens eingesetzte Recherche-Team zerrt alles ohne Wenn und Aber ans Licht der Öffentlichkeit. Innerhalb der Belegschaft gibt es nun einen breiten Diskurs, wie man den rbb auch von innen heraus gegen solch ein Missmanagement in Zukunft resilient machen kann. Das finde ich absolut bewundernswert. In den anderen ARD-Unternehmen, beim ZDF und bei uns im Deutschlandradio haben die Vorgänge beim rbb die Mitarbeitenden ebenfalls aufgewühlt. Viele Kolleg*innen drängen in Mitarbeitenden-Konferenzen und internen Besprechungen darauf, dass in ihren Sendern Transparenz und Selbstkritik keine leeren Worthülsen sind. Aber: Es geht auch Angst um. Denn die Verfehlungen beim rbb torpedieren den Reformprozess und den mühsamen Diskurs mit der Medienpolitik für einen zukunfts- und demokratieorientierten Rundfunk. Sie befürchten die kalte Demontage und haben schlichtweg Angst um Ihre Zukunft.

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Manfred Kloiber ist freier Hörfunkjournalist und Bundesvorsitzer der ver.di-Fachgruppe Medien, Journalismus und Film. Er ist zudem Vorsitzender der Deutschlandradio-FreienvertretungFoto: Murat Türemis

Es kursieren ebenfalls Gerüchte, Abteilungsleiter*innen hätten Prämien für Stellenabbau erhalten. Was weiß man bisher?

Wir wissen, dass das rbb-Management offenbar Prämien in Höhe von mehr als 50.000 Euro für Erfolge kassiert hat. Als Erfolge zählten Ausgabenkürzung bei den frei Mitarbeitenden und Personalreduktion. Das ist an sich schon eine moralische Bankrotterklärung für ein öffentliches Unternehmen. Schlimmer noch: Das Boni-System hat eine Unternehmensberatung für angeblich 18.000 Euro optimiert. Dabei hat diese Beratungsfirma vollkommen versäumt, den systemgefährdenden Schaden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ÖRR, durch solch ein Instrument der Unternehmssteuerung zu berücksichtigen. Nicht ohne Grund haben die rbb-Leitung und der Verwaltungsrat darüber Stillschweigen bewahrt, bis der Skandal hochkam. Die gleiche Beratungsfirma hat für die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, KEF, ein geheimes Gutachten zu den Personalkosten im ÖRR erstellt. Von diesem Gutachten hören wir von den Sendern nur, das Personal, insbesondere in den unteren Gehaltsgruppen, sei zu teuer. Das sind für mich empörende Vorgänge, zumal die KEF ein Folgegutachten bei der gleichen Firma bestellen will. Es stinkt zum Himmel.

Wie viel Personal wurde in den letzten Jahren bereits abgebaut?

Wegen dieses Geheimgutachtens hat die KEF den Sendern auferlegt, jedes Jahr 0,5 Prozent der Planstellen zu streichen. Die Arbeit wird aber nicht weniger, sondern mehr: ARD, ZDF und Deutschlandradio müssen sich auf die digitale Welt einstellen und neue Online-Angebote entwickeln. Gleichzeitig will aber niemand auf bestehende Angebote verzichten. Das führt zu massiver Arbeitsverdichtung bei den Kolleg*innen.

Was bedeutet das für Freischaffende?

Weil immer mehr Aufgaben hinzukommen (während der Rundfunkbeitrag über Jahre hinweg unverändert blieb) werden viele Tätigkeiten der weggesparten Angestellten stattdessen an Freie ausgelagert – zu deutlich schlechteren Konditionen und meist auf Tagelöhner-Basis. Das Geld dafür fehlt dann aber im Programmetat für Beiträge, Sendungen und kreative Leistungen. So werden viele Freie zu Arbeitnehmenden zweiter Klasse gemacht, anstatt dafür zu sorgen, dass wirklich selbständige Autor*innen, Künstler*innen und Musiker*innen vernünftige Aufträge erhalten. Die Arbeit von Freien wird also regelrecht entwertet – sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich.

Wie wirkt sich der Skandal auf die laufenden Tarifverhandlungen aus?

Meine Kolleg*innen wissen ganz genau, wie wichtig und wertvoll ihre Arbeit ist. Sie tragen ja keine Schuld am Missmanagement ihrer Geschäftsleitung. Deshalb gehen sie auch nicht in Sack und Asche. Wir sind als ver.di angesichts der grassierenden Inflation mit unserer Forderung von 6 Prozent mehr Gehalt oder Honorar sehr moderat unterwegs. Und auch unsere Forderung, die Gehaltserhöhung als Mindest- oder Festbetrag zu realisieren, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage absolut korrekt. Die Katastrophe, die beim rbb von einer unfähigen Geschäftsleitung angerichtet wurde, die lassen wir uns in der Tarifrunde nicht vorhalten. Aber niemand hält die Geschäftsleitungen davon ab, die außertariflichen Gehälter einzufrieren.

Das System des öffentlichen Rundfunks steht jetzt für einige generell in Frage. Braucht es eine neue Finanzierung?

Wenn es um die Frage geht, ob es ein Beitrag sein soll – da sage ich ganz klar: Ja! Denn nur der Rundfunkbeitrag garantiert die notwendige Staatsferne. Wenn es um die Festsetzung der Beitragshöhe geht: Meines Erachtens werden im KEF-Verfahren Kriterien angelegt, die in einem Wirtschaftsunternehmen vielleicht passen, in öffentlichen Unternehmen – zumal mit Demokratie- und Kulturauftrag – aber völlig deplatziert sind. Interview: Rita Schuhmacher