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Nordrhein-Westfalen – "Zufriedenheit kann nur dann entstehen, wenn wir als Arbeitgeber überzeugen und zufriedene Mitarbeiter*innen begeistert für Ihre Sicherheit sorgen." Ein Zitat von der Webseite der Sicherheitsfirma Prodiac in Bielefeld (prodiac-sicherheit.de). Die Begeisterung der 130 Mitarbeiter*innen ist allerdings gering. Kein Wunder angesichts der Arbeitsbedingungen. Mal ein paar Beispiele: 16 Tage arbeiten ohne einen freien Tag dazwischen. 12-Stunden-Schichten ohne Pause. 313 Arbeitsstunden in einem Monat.

Dazu passt auch, dass die Prodiac-Unternehmensleitung das Unternehmen "betriebsratsfrei" machen will. Geschäftsführer Rasmus Finn Wackerhagen behauptet sogar, dass es gar keinen Betriebsrat gibt, obwohl der im Mai 2022 gewählt wurde. Wackerhagen selbst hatte seine Personalleiterin dazu gebracht, mit einer eigenen Liste bei der Wahl anzutreten, um die Wiederwahl des vorherigen Betriebsrats zu verhindern. Als aufflog, dass die Stützunterschriften-Liste der Personalleiterin manipuliert worden war, musste sie zurückgezogen werden. Auch der Versuch des Geschäftsführers, per Arbeitsgericht die Wahl zu verhindern, misslang. Wackerhagen ging bis vors Landesarbeitsgericht und kassierte auch da eine Schlappe – die Wahl fand statt, der alte Betriebsrat wurde wiedergewählt.

Als 2021 gestreikt wurde, mussten Betriebsratsmitglieder immer häufiger Lohnbestandteile vor dem Arbeitsgericht einfordern. Betriebsversammlungen wurden ver- oder behindert. Mitbestimmungsverfahren fanden nicht statt und die für die Betriebsratsarbeit aufgewendete Zeit wurde nicht bezahlt. Bemerkenswert bei alledem ist, dass die Angriffe gegen die Mitbestimmung in einem der größten Unternehmen der Branche stattfinden. Prodiac wurde 2016 von der KWS Kieler Wach- und Sicherheitsgesellschaft übernommen und gehört damit zum drittgrößten deutschen Sicherheitsdienstleister.

Nachts in die Firma beordert

Über 30 Prozesse hat der Betriebsrat im Laufe der letzten Jahre durchgefochten, um sich gegen die Schikanen des Arbeitgebers zu wehren – und alle gewonnen. Seine Arbeit wird weiterhin behindert. Betriebsratsmitglieder werden schikaniert und bedroht. Mitarbeiter werden nachts angerufen und mit Kündigungen bedroht. Einsatzleiter werden nachts ins Firmenbüro beordert und dazu aufgefordert, gegen den Streik aufzutreten. Auch die gerichtliche Androhung von Ordnungsgeldern hat auf den Arbeitgeber bislang keinen Eindruck gemacht. Erst durch Veröffentlichungen auf der ver.di-Seite wasi-nrw.de ist der Geschäftsführer öffentlich in die Kritik und damit selbst unter Druck geraten.

Für ver.di-Sekretär Andreas Rech ist die Behinderung der Betriebsratsarbeit ein Fall für den Staatsanwalt. Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz stellt klar: Die Behinderung der Arbeit eines Betriebsrates ist ein Straftatbestand. "Das Verhalten von Wackerhagen ist ein Politikum", sagt Gewerkschafter Rech. Da der Arbeitgeber sich auch durch Gerichtsverfahren nicht beeindrucken ließ, habe sich der Betriebsrat gemeinsam mit ver.di im Oktober 2021 an das Landesarbeitsministerium gewandt. Doch von dort sei bislang nicht einmal eine Rüge Richtung Arbeitgeber gekommen.

Dabei könne nicht nur Paragraf 119 angewandt werden, so Andreas Rech, sondern auch Paragraf 35 der Gewerbeordnung, sie enthält die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit. Besonders empört ist Rech darüber, dass eine ver.di-Klage, die sich auf Paragraf 119 gründe, kürzlich von der Staatsanwaltschaft Bielefeld mit der Begründung abgewiesen wurde, dass – obwohl der Anfangsverdacht begründet sei – keine hohe Strafe zu erwarten sei und daher kein öffentliches Interesse bestehe. Empörend aus Sicht des Gewerkschafters sei dies auch deshalb, weil KWS weiterhin öffentliche Aufträge bekomme.

Weil ver.di die Vorgänge öffentlich gemacht hat, wurde nun Rech von Wackerhagen verklagt. "Ich sehe hier nicht nur die Gerichte, sondern jetzt auch die Politik auf Landes- und Bundesebene in der Pflicht", sagt Rech dazu.

Bruno Neurath-Wilson