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Spanien leidet aktuell unter sehr großer Trockenheit. Leidtragende des Klimawandels dort sind vor allem Bauern, denen Felder und Ernten wegbrennenFoto: Agencia EFE/imago images

Die Klimakrise ist im Mainstream der Gewerkschaftsbewegung angekommen, auch in Österreich. Das ist das wichtigste Ergebnis der "Akademie für sozialen und ökologischen Umbau", die vom 19. bis 21. April in der Wiener Arbeiterkammer stattfand. Ein Jahr lang hatte sich ein Team aus Gewerkschafter*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen der Klimabewegung auf die Akademie vorbereitet. Am Ende kamen rund 150 Teilnehmer*innen, die teils kontrovers, aber durchwegs solidarisch miteinander diskutierten.

Es nahmen Betriebsrät*innen des österreichischen Stahlkonzerns VOEST und auch des Energiekonzerns OMV teil. Betriebsrät*innen der "Wien Energie" stellten am zweiten Tag Räume im "Kraftwerk Simmering" zur Verfügung. Hier entsteht bis 2027 eine der leistungsstärksten Großwärmepumpen Europas, die bereits jetzt 56.000 Haushalte mit umweltfreundlicher Energie versorgt. Im Rahmen eines "World Cafés" stellten dort auch Gewerkschafter*innen der IG Metall Konzepte vor, wie der ökologische Umbau von Industrieregionen gelingen könnte. Dazu gehört auch das vom Deutschen Gewerkschaftsbund, DGB, initiierte Projekt "Revierwende", welches sowohl in der Lausitz als auch im rheinischen Revier aktiv ist (revierwende.de).

Im Lohnkampf vereint fürs Klima

Punktuelle Begegnungen zwischen Klimabewegung und Gewerkschaften hatte es bereits im Vorfeld gegeben. In Österreich wurde die Solidarisierung zwischen Fridays for Future und ver.di während der Arbeitskämpfe im deutschen öffentlichen Dienst der vergangenen Monate mit Interesse zur Kenntnis genommen. Gleiches galt für die Zusammenarbeit zwischen Klimabewegung und Beschäftigten einer Fabrik des Bosch-Konzerns in München, als es darum ging, deren Schließung zu verhindern. Im November 2022 besuchten schließlich Wiener Klima-Aktivist*innen streikende Eisenbahner*innen in einem Wiener Bahndepot, um deren Lohnkampf zu unterstützen.

„Die nötige Transformation braucht einen klaren Plan. Und diesen Plan soll ein starker Staat vorgeben. Wie geht es weiter an meinem Arbeitsplatz? Wie federn wir bestimmte Beschäftigtengruppen ab? Der Markt wird das nicht regeln.“ Ingrid Reischl, leitende Sekretärin des österreichischen Gewerkschaftsbundes

Erklärtes Ziel der "Akademie" war es, diese punktuellen Verbindungen zu systematisieren. "Denn um die Klima- und Ökokatastrophe abzuwehren, müssen wir die soziale und ökologische Frage systematischer miteinander verbinden, Kooperation und Strategien entwickeln, und schlussendlich ein effektives Gemeinwesen aufbauen", hieß es im Aufruf zur Veranstaltung. "Im Fokus stehen wechselseitiges Lernen, Strategie- und Bündnisfähigkeit."

Diese drei Punkte sind keineswegs ein Automatismus, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. So unterstützen die österreichischen Gewerkschaften etwa den Ausbau des Wiener Flughafens. Als Klima-Aktivist*innen das ganze Jahr 2022 hindurch Baustellen für ein geplantes Autobahnprojekt im Großraum Wien besetzten, stellte sich der Österreichische Gewerkschaftsbund abermals gemeinsam mit der Wirtschaftskammer hinter den umstrittenen Autobahnausbau. Die Konferenz brachte nun Personen zusammen, die sich in diesen beiden Konflikten auf unterschiedlichen Seiten der Barrikade befunden hatten. "Was können wir aus den Auseinandersetzungen rund um die Autobahnen lernen", fragte nicht nur ein Gewerkschafter laut. Abschließend beantwortet wurde die Frage nicht.

Klar war allen Beteiligten, dass die Bewältigung der Klimakrise eine Klassenfrage ist, die eng mit den privatwirtschaftlich organisierten Eigentumsverhältnissen verknüpft ist. "Aber was ist die Strategie dafür?", fragte Ingrid Reischl, leitende Sekretärin des ÖGB, auf einer Podiumsdiskussion zum Thema "wie es gelingen kann". "Die nötige Transformation braucht einen klaren Plan. Und diesen Plan soll ein starker Staat vorgeben. Wie geht es weiter an meinem Arbeitsplatz? Wie federn wir bestimmte Beschäftigtengruppen ab? Der Markt wird das nicht regeln." Es sei erfreulich, dass der österreichische Staat 5,7 Milliarden Euro für einen "gerechten Übergang" im Infrastrukturbereich einführen wolle. "Aber wir fordern seit Monaten, dass diese Gelder an soziale Kriterien geknüpft werden. Kein Unternehmen sollte Förderungen bekommen, wo es schwere Verstöße und Sozialdumping gegeben hat", so Reischl.

Dem pflichtete Lucia Steinwender bei, Aktivistin der Gruppe "System Change not Climate Change". "Wir müssen Grundbedürfnisse der Marktlogik entziehen. Wir müssen die Marktlogik zurückdrängen", so ihre These. "Das Klimaministerium vergibt viel Geld für erneuerbare Energie. Wieso legen wir dieses Geld wieder in die Hände privater Unternehmen, anstatt dezentrale öffentliche Infrastrukturen im erneuerbaren Energiebereich aufzubauen?"

Für einen radikalen Umbau

Der ebenfalls als Diskussionsteilnehmer geladene deutsche Soziologe Klaus Dörre griff die von Reischl und Steinwender getätigten Aussagen auf. Die Klimakrise sei nur durch den "völligen stofflichen Umbau der Wirtschaft" möglich, der "mit der ersten industriellen Revolution" vergleichbar sei. Dafür sei ein "radikaler Umbau" nötig, der "nicht ohne einen radikalen gesellschaftlichen Umbau" machbar sei. Und das gehe nicht "ohne Plan", in dessen Rahmen weit reichende Vergesellschaftungsmaßnahmen nötig seien, sowie massive Arbeitszeitverkürzung und eine "Aufwertung der Sorgearbeit".

Dass es aus gewerkschaftlicher Sicht nicht mit Verstaatlichung allein getan ist, ergänzte Gewerkschafterin Reischl. "Ich bin für Verstaatlichungen", machte sie deutlich. "Aber wir haben in Österreich Energieunternehmen, die in öffentlicher Hand sind, allerdings von Gemeinden und Bundesländern als Aktiengesellschaften geführt werden." Dies müsse sich ändern.

Nicht ausschließlich auf den Staat vertrauen will hingegen Lucia Steinwender. Es gehe auch darum, "als Gesellschaft Entscheidungen gemeinsam zu treffen". Bewegungen wie "Deutsche Wohnen und Co enteignen" in Berlin hätten gezeigt, "dass die Menschen viel wollen". Wie aber dieses "Wollen" umsetzen? "Veränderungen fallen nicht vom Himmel, wie erkämpfen wir sie?", fragt Steinwender. Erkämpft wurde durch die Akademie für sozialen und ökonomischen Umbau noch nichts. Aber Ansätze eines möglichen Bündnisses zwischen Lohnabhängigen und sozialen Bewegungen, die wurden spürbar.

Weitere Infos: sozialundoekologisch.org

Nachhaltigkeit:

Schädlicher Energiehunger

Die Klimaaktivist*innen der "Letzten Generation" sorgen aktuell für viel Unmut. Weil sie sich auf Straßen festkleben und den Verkehr – einen Hauptverursacher des CO₂-Ausstoßes – vorübergehend zum Stehen bringen. Oft sind dann Beschäftigte, die zur Arbeit oder mit einem Fahrzeug ihrer Arbeit nachgehen müssen – die Hauptbetroffenen, die sich immer mehr über die Aktivist*innen ärgern. Dabei sollten wir uns alle einander mitnehmen, um die Erhitzung der Erde zu stoppen. Wie wir heiße Sommer, Sturzfluten und Stürme durch unseren Energiehunger, den wir mit Kohle aus Kolumbien und Lithium aus Argentinen stillen, befeuern, sind wir in unseren Berichten im Schwerpunkt Nachhaltigkeit nachgegangen. Petra Welzel