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Viele Rettungskräfte steigen nach 10 Jahren wegen Überlastung ausFoto: Roessler/picture alliance

Im kommunalen Rettungsdienst kommen viele Beschäftigte durch die Kombination aus Arbeits- und Bereitschaftszeit regelmäßig auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Die Beschäftigten fordern Entlastung. Viele Rettungskräfte verlassen nach maximal zehn Jahren den Beruf, wie eine ver.di-Befragung nach dem DGB-Index Gute Arbeit 2022 ergeben hat, 58 Prozent der Befragten gaben das an. "Rettungswagen stehen überall still, weil keine Leute da sind", weiß Norbert Wunder, angestellt bei der Rettungsdienst Kooperation in Schleswig-Holstein gGmbH und Sprecher der ver.di-Bundesfachkommission Rettungsdienst.

Weglaufendes Personal scheint den kommunalen Arbeitgebern (VKA) aber völlig egal zu sein. An einer schnellen Lösung zeigen sie sich nicht interessiert, denn auch die zweite Verhandlungsrunde zu den Arbeitszeiten am 2. Februar 2024 ging ohne Ergebnis zu Ende. Enttäuschend ist aus ver.di-Sicht, dass die VKA weder bereit war, die wöchentliche Höchstarbeitszeit zu reduzieren, noch überhaupt irgendein Fortschritt in den Verhandlungen erreicht werden konnte. "Die VKA nimmt mit ihrer Blockadehaltung billigend in Kauf, dass die Versorgung schlecht ist, weil mit so langen Arbeitszeiten keine Rettungskräfte im Beruf gehalten werden", betont Norbert Wunder.

Kein Anreiz

Rettungskraft Anja Schmidt-Wrubel arbeitet zwar nicht im öffentlichen Dienst, sondern zu etwas besseren Bedingungen bei der Rettungsdienstgesellschaft mbH Herzogtum Lauenburg. Dort gilt momentan höchstens eine 45-Stunden-Woche. Doch Schmidt-Wrubel kann ihre Kolleg*innen im öffentlichen Dienst gut verstehen. Auch sie hat einen Anteil an unbezahlter Bereitschaftszeit, der früher sogar noch größer war. "Ich arbeite in Teilzeit in einer 75 Prozent-Stelle. Damit habe ich eine 28-Stunden-Woche, bin aber 39 Stunden auf der Arbeit und nicht zu Hause und kann nicht frei über meine Zeit verfügen. Das ist kein Anreiz für den Beruf."

Besonders unerträglich ist die Situation bei den kommunalen Rettungskräften mit bis zu 48-Stunden-Schichten. Daran muss sich dringend etwas ändern, fordern die Beschäftigten. Andere Rettungsdienstanbieter machen vor, wie es gehen kann. Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) wird beispielsweise die Arbeitszeit von ehemals 48 schrittweise auf höchstens 42 Stunden pro Woche reduziert – seit diesem Jahr sind es noch höchstens 44 Stunden. Was beim DRK möglich ist, muss auch im öffentlichen Dienst machbar sein. Doch die VKA hat nichts dergleichen angeboten. Dabei waren bei den Tarifverhandlungen zur Entgeltrunde 2023 zwischen ver.di und der VKA Verhandlungen zur Verringerung der Höchstarbeitszeit bei den Rettungskräften vereinbart worden.

„Bis zu 48 Stunden in der Woche arbeiten zu müssen, ist völlig aus der Zeit gefallen“ Sylvia Bühler, ver.di-Bundesvorstand

Bislang haben sich die Arbeitgeber weder auf eine inhaltliche Diskussion eingelassen, noch eine Antwort darauf gegeben, wie sie sich eine Stundenreduzierung vorstellen. ver.di-Verhandlungsführerin Sylvia Bühler ist empört über das zögerliche Verhalten der kommunalen Arbeitgeber, die am Verhandlungstisch deutlich machten, nicht bereit zu sein, die stufenweisen Verbesserungen "beim DRK abzuschreiben". "Bis zu 48 Stunden in der Woche arbeiten zu müssen, ist völlig aus der Zeit gefallen", betonte Bühler. Für die Beschäftigten sei die Anwesenheit auf der Wache entscheidend. Das Warten auf Einsätze gehöre genauso zum Rettungsdienst wie die Einsätze selbst.

Um schnell eine Entlastung zu erreichen, hat ver.di den Arbeitgebern angeboten, den ersten Schritt zur 44-Stunden-Woche zeitnah umzusetzen und die Reduzierung auf 42 Wochenstunden zwar bereits zu vereinbaren, aber in Ruhe eine gemeinsame Lösung zu finden, auf welchem Wege das passiert. Auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt, da sich die VKA nicht unter Zeitdruck sieht. Dass viele Rettungskräfte aber nach nur wenigen Jahren den Beruf aufgeben, davor verschließen die Arbeitgeber die Augen.

Timo Niebuhr, Mitglied der ver.di-Verhandlungskommission, betonte nach der zweiten Verhandlungsrunde, die Arbeitgeber sollten ein großes Interesse daran haben, dass die Beschäftigten nicht den kommunalen Rettungsdienst verlassen. "Dazu braucht es aber gute Arbeitsbedingungen." Und Norbert Wunder rechnet vor: "Bis 2017 war auch die Bezahlung schlecht, das hat sich inzwischen geändert. Jetzt muss auch was bei der Arbeitszeit passieren. Würden die Rettungskräfte im Schnitt zwanzig Jahre im Beruf bleiben und nicht zehn Jahre, dann hätten wir kein Personalproblem mehr."

Am 4. und 5. April gehen die Verhandlungen in Berlin weiter. Bis dahin wird ver.di die Zeit gemeinsam mit den Beschäftigten nutzen, denn immer mehr Beschäftigte schließen sich ver.di an und setzen sich zur Wehr. Das zeigte sich auch bereits am 2. Februar in Hannover: Rund 120 Beschäftigte standen am Verhandlungsort vor der Tür und protestierten.