Vergeblich, denn die Streiks sind in Ordnung, auch rechtlich. Niemand muss sich einschüchtern lassen

Die erste Drohung erreichte Stefan Schenk am 11. Mai. "Aber Angst habe ich nicht", sagt er. Der Sachbearbeiter in der Technischen Kundenniederlassung Neubrandenburg streikt und will durchhalten. Das Team, zu dem er gehört, ist für DSL-Anschlüsse bei "Fremdanbietern" zuständig. Zwölf sind sie, sechs davon bekamen den Brief mit der Aufforderung "Sie werden zur Mitarbeit bestellt." Um Notdienste ginge es. "Es wird darauf hingewiesen, dass Sie arbeitsvertraglich verpflichtet sind, Notdienste zu leisten." Stefan Schenks Antwort: "Ich streike. In meinem Arbeitsvertrag steht so was nicht, und ich weiß, dass Notdienst anders gehändelt wird. Da verlasse ich mich auf meine Gewerkschaft."

Vier der sechs Kollegen gaben dem Druck nach, zwei nicht. Zwei Tage später rief der Teamleiter Stefan Schenk an. Die Ressortleitung sei wütend. Er solle zur Arbeit kommen, sonst folge die Abmahnung. "Der nächste Schritt ist die Kündigung." Trotzdem will Schenk "das jetzt durchziehen. Zuerst war ich skeptisch, mit Notdiensten hat man ja nicht alle Tage zu tun, aber jetzt bin ich sicher, dass der Streik nötig ist. Wie man bei der Telekom inzwischen mit den Kunden umgeht, weil der Vorstand das so will, finde ich menschenunwürdig. Ich habe immer versucht, Kunden glücklich zu machen. Aber wenn bei denen der vierte Termin platzt, kann ich die Telekom nicht mehr verteidigen. Es heißt aus dem Unternehmen seit den 90er Jahren, wir müssen kundenfreundlicher werden. Wann wollen wir endlich damit beginnen?"

Stefan Schenks Erfahrungen sind kein Einzelfall. In Nordrhein-Westfalen etwa rechnet Landesstreikleiter Martin Kodatis-Wolff damit, dass "zurzeit 100 Menschen von verschieden titulierten Führungskräften unter Druck gesetzt werden. Das gefährdet den Streik nicht, wenn man bedenkt, dass bei uns 2500 Leute dabei sind, aber die Betroffenen geraten in eine fürchterliche Situation. Sie fühlen sich existenziell bedroht. Das macht krank. Und das Betriebsklima wird nachhaltig zerstört."

Druck per SMS. Man ist schließlich bei der Telekom

Alles, was Recht ist

Streik ist ein Grundrecht und kann nicht einfach unterbrochen werden, weil ein Chef das will. Wenn Kolleg/innen von der Leitung ihrer Niederlassung Post kriegen und man sie auffordert, "Notdienste" zu leisten, ist das nicht korrekt. In Streiks darf kein Arbeitgeber einseitig Notdienste organisieren und Leute dazu verpflichten. Die Rechtsprechung sagt: Notdienste zu regeln ist grundsätzlich gemeinsame Aufgabe von Arbeitgeber und Gewerkschaft. Einsätze im Notfall dürfen nur mit der ver.di-Streikleitung vereinbart werden. So steht es in der Notdienstvereinbarung von 1990. Die gilt nach wie vor. Auch wenn die Telekom AG gern eine neue hätte, die es möglich macht, dass während eines Arbeitskampfes 30 Prozent der Beschäftigten arbeiten.

Und im Notfall?

Wenn ein Bagger Telefonkabel zerreißt und ein Krankenhaus nicht mehr erreichbar ist, dann setzt die betriebliche Streikleitung Leute ein, die das Kabel reparieren. Auch Feuerwehr, Polizei, Gas- und Wasserversorger brauchen funktionierende Telefone.

Und der G8-Gipfel? "Ist kein Notfall", sagt Michael Halberstadt aus der ver.di-Bundesverwaltung. "In der Region um Heiligendamm wird die Infrastruktur ausgebaut, nicht nur für den Gipfel. Es ist ein Netzausbau, Glasfaserkabel wird verlegt. Die Telekombeschäftigten, die das tun, sind in den Streik einbezogen. Es wird nicht einfach sein, schnell externe Firmen zu finden, die einspringen können."

Noch ein Tipp: Wer Drohbriefe bekommt, sollte sich sofort bei seiner Streikleitung melden!

Grundgesetz Art.9, Abs.3; BAG 30.3.1982, AZR 265/80; LAG Niedersachsen 1.2.1980, 8 Sa 32/85; BAG 10.9.1985