Wer bei atmosfair eine freiwillige Klimaschutzabgabe zahlt, kann die Schadstoffemissionen seines Fluges bei anderen Umweltprojekten einsparen. Ein Gespräch mit Dr. Dietrich Brockhagen

ver.di PUBLIK | Herr Brockhagen, was ist atmosfair?

BROCKHAGEN | atmosfair ist eine Organisation, die es Flugpassagieren erlaubt, für die klimaschädlichen Schadstoffemissionen ihrer Flugreise aufzukommen. Jeder Flug trägt zur Klimaerwärmung bei. Auf unserer Webseite oder in einem Reisebüro, das mit uns zusammenarbeitet, können Sie sich ausrechnen lassen, wie hoch Ihr Beitrag zur Klimaerwärmung mit dem jeweiligen Flug ist. Dann haben Sie die Möglichkeit einen Beitrag zu spenden, der beim Finanzamt auch steuerabzugsfähig ist. Die Spende ist so bemessen, dass wir durch den Einsatz dieses Geldes in Umweltprojekte genauso viel CO2 einsparen, wie Sie mit Ihrem Flug verursacht haben.

ver.di PUBLIK | Was richtet denn so ein Flug beispielsweise von Berlin nach Los Angeles an?

BROCKHAGEN | Das Flugzeug steigt auf eine Höhe von über 10 Kilometer. Dort ist die Luft minus 50 Grad kalt und bewegt sich nicht mehr. Jeder Schadstoffausstoß ist hier viel sensibler wegen der chemischen Reaktionen, die dort ablaufen. Von Berlin nach Los Angeles wären es ungefähr sechs Tonnen CO2. Was ein Mensch in einem Jahr ausstoßen darf, damit es die Atmosphäre gerade noch verträgt, liegt bei drei Tonnen. Das heißt mit so einem Fernflug hätten Sie Ihr Budget für zwei Jahre komplett verschossen. Und dürften dann eigentlich nur noch kalt duschen, vegetarisch essen und radfahren.

ver.di PUBLIK | Wie hoch wäre die Kompensationszahlung für diesen Flug?

BROCKHAGEN | Die Zahlung an uns läge bei ungefähr 120 Euro.

ver.di PUBLIK | Was passiert mit dem Geld?

BROCKHAGEN | Wir haben ein Projekt in Indien mit Solarspiegeln an insgesamt 40 Orten, an Krankenhäusern, Tempelanlagen und Universitäten. Die Spiegel erwärmen das Wasser. Dieses Wasser wird in Großküchen geleitet und dort kann dann der bisherige Dieselbrenner abgeschaltet werden. Wir messen dann, wie viel CO2 dadurch gespart wurde.

ver.di PUBLIK | Flugreisen sind mit das Schädlichste für das Klima, was es gibt. Verschafft atmosfair CO2-Sündern ein ruhiges Gewissen? Ist das eine Art Ablasshandel?

BROCKHAGEN | Es ist der Atmosphäre ziemlich egal, ob Sie mit gutem oder schlechtem Gewissen fliegen. Jeder Flug ist schädlich. Letztlich kommt es nur darauf an, wie das Klima eine Erleichterung spürt. Und mit jedem Beitrag, den Sie bezahlen, den wir dann in Klimaschutzprojekte investieren, können Sie Treibhausgase einsparen. Das ist das Einzige, was dem Klima hilft. Also kurz gesagt, fliegen Sie entweder weniger oder wenigstens atmosfair. Alles andere hilft dem Klima nicht.

ver.di PUBLIK | Was halten Sie von der Forderung, endlich auch das Kerosin zu besteuern?

BROCKHAGEN | Die Kerosinbesteuerung ist notwendig. Es bedarf in dieser Richtung einer starken staatlichen Regelung. Die können wir als atmosfair nicht ersetzen. Wir können sie nur ergänzen. Wir klären erst einmal auf und zeigen den Zusammenhang. Jeder, der auf unserer Webseite seinen Flug eingibt, bekommt eine detaillierte Ökobilanz. Und sieht dann: wie hoch der Flieger geflogen ist, wie viel Kerosin das Flugzeug insgesamt verbraucht hat, wie viele Sitze in dem Flugzeug waren. Damit bekommt man plastisch dargestellt wie groß der eigene Beitrag zur Klimaerwärmung ist. Wir kommen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern wir sagen, das ist ein Angebot. Du trägst zur Klimaerwärmung bei. Du kannst aber auch was dagegen tun.

ver.di PUBLIK | Wie viele Personen besuchen täglich Ihre Webseite? Wie viele bezahlen?

BROCKHAGEN | Am Tag haben wir etwa 2000 Besucher, und es zahlen derzeit ungefähr 100 Leute am Tag für Klimaschutzprojekte. Wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr etwa eine halbe Million Euro Einnahmen haben werden. Die Bereitschaft der Reisenden eine Klimaschutzabgabe zu zahlen, hat das Bundesumweltministerium untersuchen lassen. Danach haben ungefähr zwei Drittel der deutschen Bevölkerung gesagt, wenn sie sich sicher sein könnten, dass das Geld auch wirklich ankommt, dann würden sie bezahlen.interview: Edith Kresta

www.atmosfair.de

Dr. Dietrich Brockhagen, Physiker, Umweltökonom und Geschäftsführer von atmosfair

FOTO: ATMOSFAIR