Ausgabe 01/2007-02
Stress im Wohnbüro
Von Maik Söhler |Telearbeit nimmt beständig zu. Zwar versprechen die Heimarbeitsmodelle Eigenständigkeit und Zeitersparnis, doch sie sind auch mit gesundheitlichen Nachteilen verbunden
Arbeit und Kind sind nicht unbedingt vereinbar FOTO: PHOTOTHEK.NET
Rund 13 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland leisten derzeit nach Schätzungen des Marktforschungsinstituts empirica Telearbeit. Sie arbeiten als Angestellte oder Selbständige am Computer, und zwar - ganz oder teilweise - von zu Haus aus. Gegenüber ihren im Büro arbeitenden Kollegen haben sie den Vorteil, durch weniger Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz Kosten und Zeit zu sparen, ohne direkte Aufsicht eines Chefs zu arbeiten und ihre Arbeitszeiten meist nach eigenen Bedürfnissen einteilen zu können.
Aber es gibt auch Nachteile. Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) aus den vergangenen Jahren kommen zu dem Ergebnis, dass der "Eigenständigkeit" häufig "eine hohe Arbeitsdauer und -intensität" entgegensteht. In Umfragen sieht jeder dritte Telearbeiter eine höhere Arbeitsintensität im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern. Mit seinem sehr variablen Arbeitsrhythmus ist jeder siebte Befragte unzufrieden, oft werde nachts oder an Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Da wundert es nicht, dass 60 Prozent der Telearbeiter klagen, während der Freizeit nicht oder nur schlecht abschalten zu können. Wo die Wohnung zum Büro wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben.
Verstärkte Doppelbelastung am Heimarbeitsplatz
Das führt bei über 30 Prozent der Befragten zu psychosomatischen Beschwerden wie innerer Unruhe, Anspannungen und erhöhter Reizbarkeit. Aber auch das Familienleben kann darunter leiden. Zwar sind mehr Männer als Frauen als Telearbeiter tätig, Frauen aber leiden häufiger unter der durch die fehlende Trennung von Wohnung und Büro verstärkten Doppelbelastung durch Arbeit und familiäre Aufgaben.
Vor allem zu Beginn ihrer Tätigkeit vermissen viele Telearbeiter soziale Kontakte zu den Kollegen und fühlen sich mangelhaft ins Betriebsgeschehen des Unternehmens einbezogen. Dies berge, so die Studien, die Gefahr einer "Tendenz zur Vereinzelung und Isolation". Hinzu können für Bildschirmarbeit typische Symptome wie Muskel-Skelettbeschwerden, Schmerzen in Arm oder Hand, Ermüdung, Konzentrationsschwäche, Nervosität und Augenleiden kommen, da nach Angaben der BAUA im Büro zu Hause wegen fehlender Unterstützung durch Arbeitsmediziner eine Vernachlässigung des Gesundheitsschutzes drohe.
Für Gisela Scharmann, als Gewerkschaftssekretärin bei ver.di-Innotec für "Beratung Telearbeit" zuständig, ist das alles kein Grund zur Resignation. "Manche sagen, Telearbeit macht mich krank. Andere sagen, sie macht mich gesund." Wichtig sei, gute Dienst- und Betriebsvereinbarungen zu treffen, die auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Darin sollte geregelt sein, dass Telearbeit freiwillig gemacht wird, am besten ein regelmäßiger Wechsel zwischen der Arbeit zu Haus und im Büro stattfindet und dass ein Rückkehrrecht ins Büro ohne Angaben von Gründen besteht.
Gesundheitsschutz bei Telearbeit
Die häufigsten körperlichen Beschwerden bei Telearbeit betreffen den Rücken. Viele Volkshochschulen (VHS) bieten Rückenschulen an, die rasch Linderung bringen können. Informationen finden Sie bei der VHS in Ihrer Nähe oder im Internet unter www.vhs.de. Sie können sich deswegen aber auch direkt an Ihre Krankenkasse wenden oder unter www.krankenkasseninfo.de Informationen abrufen.
ver.di-Innotec bietet zwei Broschüren an: Basisinformation Telearbeit I und II, jeweils mit ausführlichen Hinweisen zum Gesundheitsschutz. Sie sind für jeweils 5,10 Euro zu bestellen unter www.multimediabue ro.de/material_bestellung.php3 oder bei ver.di-Innotec, Lyoner Straße 14, 60528 Frankfurt am Main.
Weitere Informationen finden Sie im Internet. Von der Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de) kann die Studie Telearbeit - gesund gestaltet gratis herunter geladen werden. Auf www.sozialnetz.de klicken Sie sich über die Links "Umsetzung" und "Checklisten & Handlungshilfen" zum Kurztest "Beurteilen Sie Ihren Bildschirm-Arbeitsplatz selbst" durch.