Gewerkschafterinnen, Globalisierungskritiker, Umweltschützerinnen und Verkehrsexperten stemmen sich gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn. Ihr Wunsch: eine Bahn für alle

2007 muss die Bahn das Schienennetz umfangreich sanieren

Bis Ende März will Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein Gesetz zur Bahnprivatisierung vorlegen. Noch vor den nächsten Wahlen sollen Käufer bei der DB einsteigen - so der Plan der großen Koalition. Im Gespräch ist, schon Anfang kommenden Jahres 24,9 Prozent der Unternehmensanteile auf den Markt zu werfen.

Ein breites Bündnis unter dem Namen "Bahn für Alle" will den Ausverkauf verhindern. ver.di hat sich dafür nicht nur mit dem globalisierungskritischen Netzwerk attac zusammengeschlossen, sondern kooperiert auch mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Robin Wood und dem Landesverband Brandenburg des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Sie alle sind überzeugt: Die Bahnprivatisierung käme die Gesellschaft sehr teuer zu stehen.

Faktisch will der Staat riesige Vermögenswerte an private Firmen verschenken. Der Wert der Infrastruktur, der Loks und Waggons der DB wird auf über 100 Miliarden Euro geschätzt. Doch ihr Verkauf würde bestenfalls 6 bis 8,6 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen, haben Gutachter im Auftrag des Verkehrsministeriums errechnet. Und das Geld würde nicht bei Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ankommen. Denn nur wenn die Bundesregierung die geringe Eigenkapitalquote der DB aufstockt, werden sich Investoren finden lassen. Im Klartext: Der Staat müsste einen Großteil des Verkaufspreises postwendend an die DB zurück überweisen. Damit wäre die Bundesrepublik ohne finanziellen Vorteil ihr letztes großes Unternehmens los.

Der Staat müsste einen Großteil des Verkaufspreises postwendend an die DB zurück überweisen. Damit wäre die Bundesrepublik ohne finanziellen Vorteil ihr letztes großes Unternehmen los

Es gäbe noch weniger Kontrolle, wofür Geld ausgegeben wird

Nach dem gegenwärtig diskutierten Privatisierungsmodell bleibt der Bund zwar juristisch Eigentümer von Gleisen und Bahnsteigen - und zahlt für deren Unterhalt jährlich 2,5 Milliarden Euro. Doch zugleich soll die teilprivatisierte DB AG die Möglichkeit bekommen, "Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren". Noch weniger als bisher wird dann zu kontrollieren sein, wofür das Unternehmen das Geld ausgibt. Schon in den vergangenen Jahren hat die DB massiv an Instandhaltungskosten gespart, moniert der Bundesrechnungshof. Das Ziel dabei: In der Bilanz konnte das Unternehmen mit höheren Gewinnen glänzen, um für Investoren attraktiv zu wirken.

Doch auf Verschleiß zu setzen rächt sich nach ein paar Jahren: Die Züge müssen langsamer fahren und notfalls werden ganze Strecken gesperrt. Sollte die DB tatsächlich nicht gut mit der Infrastruktur umgehen, kann der Staat sie nach 10 oder 15 Jahren zurückfordern, versucht Tiefensee seine Kritiker zu beruhigen. Allerdings würde das die Staatskasse erneut einige Milliarden Euro kosten. Die Erfahrung, wie teuer so etwas werden kann, haben die Neuseeländer bereits hinter sich. Dort wurde die Bahn vor längerer Zeit privatisiert. Jahrelang ließen die Betreiber das einst ausgedehnte Bahnnetz verkommen. Als die Strecken so marode waren, dass die Züge zu entgleisen drohten, stellten sie die Politiker vor die Alternative: Entweder der Staat zahlt für die Reparatur oder der Verkehr wird eingestellt. Heute gibt es in Neuseeland gerade noch drei Fernverkehrsverbindungen, die aber überwiegend nur noch touristische Bedeutung haben.

Eine Entlastung der Staatskasse ist vom Verkauf der DB nicht zu erwarten. Aber wird denn vielleicht das Angebot besser, so dass mehr Menschen das umweltfreundliche Verkehrsmittel Zug nutzen? Mit Sicherheit nicht. Die von der Bundesregierung beauftragten Gutachter haben für alle Privatisierungsmodelle vorhergesagt, dass der Anteil der Bahnnutzer schrumpfen wird. Allenfalls im Güterverkehr erwarten sie einen leichten Zuwachs.

Das Grundsatzproblem besteht darin, dass die DB seit Jahren paradoxe Ziele verfolgen soll. Zum einen hat sie den Auftrag, betriebswirtschaftlich zu agieren. Zum anderen zwingen Politiker dem Unternehmen immer wieder superteure Großprojekte wie den Bahnhof Stuttgart 21 oder die ICE-Trasse Nürnberg-Ingolstadt-München auf. Und schließlich soll die DB offiziell auch mehr Verkehr auf die Schiene holen. Für dieses Ziel haben die Politiker jedoch schlechte Rahmenbedingungen geschaffen: Nirgendwo sonst in Europa zahlen Bahnkunden so viel Mehrwertsteuer für ihr Ticket wie in Deutschland. Auch die volle Mineralölsteuer trifft die Bahn nur hierzulande. Und während Laster nur auf der Autobahn Mautgebühren zahlen müssen, kostet die Nutzung der Schienen überall Gebühren - obwohl die Bahn das Klima viel weniger belastet als der Straßentransport. Außerdem sitzen in der Chefetage der DB fast ausschließlich Leute, die früher mal für den Luftverkehr oder die Autoindustrie gearbeitet haben. Sie ließen in den letzten Jahren 500 Bahngebäude schließen, 5700 Kilometer Schiene stilllegen und halbierten die Belegschaft auf 180000 Beschäftigte.

Bahnchef Hartmut Mehdorn arbeitet schon seit seinem Amtsantritt auf den Börsengang der DB hin - und hat das Unternehmen darauf ausgerichtet, gute Bilanzzahlen auszuweisen. Deshalb kaufte die DB mehrere internationale Logistikfirmen, die ihre Kunden fast ausschließlich per Lkw, Schiff oder Flugzeug beliefern. Sie bringen zusammen mit dem durch öffentliche Zuschüsse stark geförderten Regionalverkehr den Großteil des DB-Gewinns. Das eigentliche Kerngeschäft der Bahn dümpelt dagegen auf niedrigem Niveau. Und dieser Kurs droht sich nach einer Privatisierung noch zu verschärfen.

Das Bündnis "Bahn für alle" fordert deshalb, die Privatisierungspläne sofort ad acta zu legen und empfiehlt einen Blick in die Schweiz. Dort kann man studieren, wie man die Bahn billiger und besser machen kann (siehe Text unten).

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Aktuelle Informationen zur Bahnprivatisierung und Möglichkeiten, selbst dagegen aktiv zu werden, gibt es im Internet unter www.DeineBahn.de/publik. Ein Infopaket des Bündnisses "Bahn für Alle", unter anderem mit dem alternativen Reiseplan für die Deutsche Bahn, kann bestellt werden unter: Bahn für Alle, c/o attac, Münchener Straße 48, 60329 Frankfurt am Main. Dort sowie im Internet (siehe oben) kann auch für 20 Euro der 60-minütige Dokumentarfilm Bahn unterm Hammer auf DVD bestellt werden, der am 17. März im Berliner Kino Babylon uraufgeführt wird.

Gewerkschaften gegen die Privatisierung der Bahn

Der ver.di-Bundesvorstand hat sich im Januar gegen die Kapitalprivatisierung und für den Erhalt des integrierten Bahnkonzerns ausgesprochen. Auch der DGB-Bundesvorstand erteilte jetzt den Börsenplänen von Bahnchef Hartmut Mehdorn eine Absage. DGB-Chef Michael Sommer begründete den Beschluss in einem Zeitungsinterview mit der "Daseinsvorsorge für die Bevölkerung und damit für unsere Mitglieder".

Der DGB forderte den Bund als Eigentümer auf, die Bahn als öffentlichen Verkehrsträger dauerhaft zu erhalten. Für eine weiterhin positive Unternehmensentwicklung sei eine Privatisierung "nicht erforderlich, wenn die Bundesregierung sich zu ihrer Verantwortung als Eigentümer bekennt", hieß es Anfang März in einer entsprechenden Erklärung, die wesentlich auf eine gemeinsame Stellungnahme von ver.di und der Bahngewerkschaft Transnet aus dem vergangenen Jahr zurück geht. Transnet-Chef Norbert Hansen, der für die Arbeitnehmerseite auch im Aufsichtsrat der Bahn sitzt, spricht sich inzwischen für die Privatisierungspläne aus. In der Bahngewerkschaft wächst jedoch der Widerstand.PE

Der Staat müsste einen Großteil des Verkaufspreises postwendend an die DB zurück überweisen. Damit wäre die Bundesrepublik ohne finanziellen Vorteil ihr letztes großes Unternehmen los Gewerkschaften gegen die Privatisierung der Bahn

Der ver.di-Bundesvorstand hat sich im Januar gegen die Kapitalprivatisierung und für den Erhalt des integrierten Bahnkonzerns ausgesprochen. Auch der DGB-Bundesvorstand erteilte jetzt den Börsenplänen von Bahnchef Hartmut Mehdorn eine Absage. DGB-Chef Michael Sommer begründete den Beschluss in einem Zeitungsinterview mit der "Daseinsvorsorge für die Bevölkerung und damit für unsere Mitglieder".

Der DGB forderte den Bund als Eigentümer auf, die Bahn als öffentlichen Verkehrsträger dauerhaft zu erhalten. Für eine weiterhin positive Unternehmensentwicklung sei eine Privatisierung "nicht erforderlich, wenn die Bundesregierung sich zu ihrer Verantwortung als Eigentümer bekennt", hieß es Anfang März in einer entsprechenden Erklärung, die wesentlich auf eine gemeinsame Stellungnahme von ver.di und der Bahngewerkschaft Transnet aus dem vergangenen Jahr zurück geht. Transnet-Chef Norbert Hansen, der für die Arbeitnehmerseite auch im Aufsichtsrat der Bahn sitzt, spricht sich inzwischen für die Privatisierungspläne aus. In der Bahngewerkschaft wächst jedoch der Widerstand.PE