Ausgabe 10/2007
Gefährliche Brüter
Keime, die in Krankenhäusern auftreten, werden zunehmend gegen Antibiotika unempfindlich
In Krankenhäusern treten weltweit zunehmend Krankheitserreger auf, die gegen Antibiotika widerstandsfähig, also resistent sind. Besonders besorgniserregend ist, dass bei immer mehr Keimen auch unterschiedliche Antibiotika nicht mehr wirken. Diese "Superbakterien" können damit zu einer tödlichen Bedrohung für die meist ohnehin geschwächten Patienten werden.
In Europa infizieren sich jährlich rund drei Millionen Patienten im Krankenhaus. Das ist jeder zehnte. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten verläuft bei 50000 Patienten die Infektion tödlich. In Deutschland stecken sich zwischen 500000 und einer Million Menschen in der Klinik an, heißt es in einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und der Allianzversicherung. Auf Intensivstationen sei die Situation sogar noch dramatischer. Dort betrage das Infektionsrisiko 15 Prozent.
Falscher Antibiotika-Einsatz
Die Ursache für die vermehrt auftretenden Antibiotikaresistenzen ist nach Meinung von Krankenhaushygienikern vor allem der oft falsche, zum Teil auch unnötige Einsatz von Antibiotika. Im Jahr 2004 verschrieben die Ärzte in Deutschland insgesamt 40 Millionen mal Antibiotika - das sind rund 1600 Tonnen. "Ein großer Teil davon ist entbehrlich", sagt Axel Kramer von der Universitätsklinik Greifswald und Präsident der DGKH. Vor allem Unterdosierungen aber auch zu kurze oder zu lange Anwendungen fördern die Resistenzentwicklung. Viele Bakterien haben zudem die Fähigkeit, die für die Resistenz verantwortlichen Gene nicht nur an die nachfolgende Bakteriengeneration weiterzugeben. Sie können diese Gene auch innerhalb einer Bakterienpopulation weiterreichen. Selbst eine Übertragung zwischen verschiedenen Bakterienarten ist möglich.
Ganz in den Griff wird man die Krankenhausinfektionen nicht bekommen. Sie könnten aber drastisch reduziert werden. Notwendig sei dazu, Antibiotika nur in den unbedingt notwendigen Fällen anzuwenden - und eine konsequente Hygiene, wie Händewaschen und -desinfizieren. Auch eine systematische Kontrolle, ob und welche Resistenzen in der Klinik vorhanden sind, ist unabdingbar. Mit diesen Maßnahmen können bis zu ein Drittel der Krankenhausinfektionen verhindert werden, zeigt eine Studie aus den USA. In den Niederlanden und Dänemark, deren Regierungen verbindliche Hygienevorschriften einführten, konnten die dort zuvor sehr häufigen Atemwegs- und Wundinfektionen mit dem Superbakterium Staphylococcus aureus (MRSA) drastisch reduziert werden.
In Deutschland gebe es zwar Richtlinien für Krankenhaushygiene, "die haben aber keinen verbindlichen Charakter", sagt DGKH-Präsident Kramer. Es sei ein großes Defizit, "dass derzeit nur in vier Bundesländern - Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen - eine entsprechende Verordnung existiert." Wolfgang Löhr