Josef Schulze-Spüntrup, 48, Landwirt und Amtlicher Fachassistent beim Kreis Coesfeld

Der Schlachthof heißt auf Amtsdeutsch "Fleischcenter Coesfeld". Ich bin Fleischbeschauer, aber ich heiße "Amtlicher Fachassistent". Ich untersuche die geschlachteten Schweine, ob sie genusstauglich sind. Wir sind neun Kontrolleure und zwei Tierärzte. Das ist Fließbandarbeit, 650 Schweine pro Stunde auf dem Band. Wir arbeiten pro Stunde auf vier Positionen, dann sind 15 Minuten Pause. Man muss sehr aufmerksam sein. Ich habe 28 Jahre Erfahrung damit. Zuerst kommt die Trichinenprobe, dann wird der Tierkörper angesehen, der Kopf, der Hals, die Lunge, das Herz, die Leber, die Nieren, dann werden die Mandeln entfernt, der Darm angeschaut. Wir sind Spezialisten, aber laut Tarifvertrag keine Arbeitnehmer, sondern Aushilfskräfte, nach Bedarf einzusetzen. Wenn der Schlachthof schließen würde, bekämen wir kein Arbeitslosengeld, wir wären nicht erwerbslos, sondern weiter Angestellte des Kreises, aber ohne Einkommen. Ein Unding. Alle Risiken tragen wir, bekommen kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld. Wir Kontrolleure kriegen 14 Euro Stundenlohn, die Tierärzte 28,53. Wir werden über Gebühren finanziert, die der Schlachthof dem Kreis bezahlt, "Beschaugebühren", ein Euro pro Schwein. Am Tag gehen hier 5500 Schweine durch, sechs Tage die Woche.

Die letzte Schlachtung

Man darf sich nicht alles gefallen lassen. Ich bin seit 1988 in der Gewerkschaft, seit 1993 Personalrat und seit fünf Jahren in der Tarifkommission für den Bereich Fleischuntersuchung. Seit 2002 haben wir keine Lohnerhöhung mehr bekommen. Vor drei Jahren haben wir zum ersten Mal Warnstreiks organisiert, im Juli wieder. Alle, die konnten, haben sich beteiligt. Manche arbeiten an zwei bis drei Schlachthöfen. An vielen Schlachthöfen dürfen Leute, die den Mund aufmachen, 14 Tage nicht arbeiten und verdienen nichts. Durch unsere Aktionen erreichen wir hoffentlich bald einen Durchbruch bei den Verhandlungen. Ich wollte immer Landwirt werden, das habe ich gelernt, den Hof mit 15 Hektar habe ich 1982 übernommen, der gehört seit Hunderten von Jahren meiner Familie. Wir betreiben Sauenwirtschaft, aber das lohnt sich nicht mehr, die Erzeugerpreise sinken, ich gebe auf. Wir kriegen noch einmal Ferkel, das letzte Schwein schlachte ich zu Weihnachten. Ich bin oft unterwegs, auch bei der Freiwilligen Feuerwehr, und aktiv in der Stadtpolitik im Vorstand einer Wählergemeinschaft. Unsere drei Kinder sind jetzt an der weiterführenden Schule, meine Frau arbeitet drei Tage in der Woche. Neulich wollten sie mich hier in den ver.di-Vorstand holen, das ist mir aber zu viel, vielleicht brauche ich bald noch einen Zusatzjob.

Protokoll: Ulla Lessmann