Ausgabe 01/2008-02
Die alte Ruhr gibt alles
220 Kilometer auf dem neuen Ruhrtalradweg
Wie jeder richtige Fluss fängt auch die Ruhr klein an. Ein dünner Strahl wie aus dem Wasserkran. Sie entspringt am Nordhang des 696 Meter hohen Ruhrkopfs bei Winterberg im Hochsauerland. Und ist eine Quelle der Bescheidenheit: eine gemauerte Einfassung, ein Gedenkstein von 1849, ein paar Sitzbänke. Von hier aus wollen wir sie mit dem Rad drei Tage lang begleiten, bis sie in Duisburg in den Rhein mündet. 220 Kilometer auf dem neuen Ruhrtalradweg.
Die ersten Kilometer schlängelt sich das Bächlein, nach dem später ein ganzes Gebiet benannt ist, plätschernd durch die Wiesen. Hinter Niedersfeld, dem ersten Dorf an dem jungen Flüsschen, ragt ein Achthunderter auf. Der Langenberg, Nordrhein-Westfalens Höchster. Dann radeln wir durch Assinghausen, das 1989 den Bundeswettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" gewann. Herausgeputzte Häuser aus Fachwerk und Schiefer, jedes zweite ist ein Gasthaus. Wiesenhänge und Mischwälder säumen den Weg. Nur die Ausschilderung der Radroute, die im Sauerland meist auf Land- und Forstwirtschaftswegen verläuft, gibt uns manche Rätsel auf. Mal fehlen die Wegweiser, mal sind sie falsch postiert.
Stellenweise verlässt der Radweg die Talsohle mit dem inzwischen schon fünf Meter breiten Fluss, und wir müssen den Berg hoch asten. Vom Panorama-Höhenweg sehen wir uns dann satt an den Kulturen von Nadelhölzern. Jeder dritte deutsche Weihnachtsbaum kommt aus dem "Land der 1000 Berge". 23 Anrainerstädte- und Gemeinden im Ruhrgebiet und Sauerland haben unter Regie des Regionalverbands Ruhr die Infrastruktur der Wege verbessert und aus den großteils bereits bestehenden Strecken einen durchgehenden Fernradweg entwickelt.
Zwischen Industrie und Gebirge, Heide und Mooren
Der Radweg schlägt einen Spannungsbogen von der Mittelgebirgslandschaft Sauerland zum Industrie-Kultur-Raum Ruhrgebiet, von Wäldern, Heide und Mooren über Burgen und Fachwerkstädtchen zu den "Erlebnisstationen" der vergangenen Kohle- und Stahlzeit wie der Henrichshütte in Hattingen und der Villa Hügel in Essen, dem Bergwerk Ramsbeck und dem Styrumer Wasserturm.
Im Ruhrgebiet verläuft der Weg schön und eben am Flussufer. Wir passieren goldgelbe Rapsfelder, sattgrüne Wiesen und mausgraue Äcker, Herrenhäuser und Wasserschlösser, Ruhrauen, in denen Eisvögel nisten und Kröten laichen. Ein paar Radlängen weiter bringt uns die mit Wasserkraft betriebene Fähre "Hardenstein" ans andere Flussufer zur Schleuse Herbede. Zwischen Bochum und Essen radeln wir ganz entspannt auf alten Leinpfaden, auf denen im 19. Jahrhundert Arbeitspferde die Kohlekähne stromaufwärts treidelten. Knorrige Weiden tauchen ihre Äste ins Wasser. Diesseits ruft ein Kuckuck, jenseits quaken Frösche.
Das ändert sich schlagartig am Essener Baldeneysee, einem von fünf Stauseen im Mittleren Ruhrtal. Am Wochenende kommen sich Fußgänger und Radfahrer, Jogger und Inlineskater auf dem breiten Weg am Hardenbergufer sehr nahe, manchmal auch böse in die Quere. Hinter Kettwig führt der Schotterpfad auf die Autobahnbrücke aus turmhohen Betonstelzen zu, die das Flusstal überspannt. Die Bauernhäuser und Pferdekoppeln darunter sehen wie Märklin-Spielzeug aus.
Der Endspurt. In Duisburg-Ruhrort wird die Ruhr im Hafengebiet noch einmal industriell hart gefordert. Wir finden unseren Weg auf dem geschotterten Deich zwischen Fluss und Rhein-Herne-Kanal, zwischen Hafenarmen und Schleusenbecken mit Blick auf Halden von Kohle und Altmetall, Containertürme und Kräne. Dann verschwindet die Ruhr im Rhein. Die alte Ruhr hat alles gegeben, sie war Energiequelle, Transportweg und Erholungsraum. Die junge Radroute an ihrer Seite hat hingegen noch Luft nach oben.
Reisetipps
ANREISE Ruhrquelle und -mündung sind gut mit der Bahn zu erreichen. Der RE 57 verkehrt alle zwei Stunden von Dortmund nach Winterberg. Zwischen Dortmund und Duisburg fahren der RE 1, der RE 6 und der RE 11. In allen Nahverkehrszügen können Räder mitgenommen werden.
UNTERKUNFT "Qualitätsbetriebe RuhrtalRadweg" mit fahrradfreundlichem Service und alle anderen Unterkunftsadressen stehen auf der Homepage des Ruhrtalradwegs sowie im "Tourguide 2007" der Spiralo-Karte.
KARTE Spiralo-Radwanderkarte Ruhrtalradweg, Bielefelder Verlag 2007, 9,95 €.
AUSKUNFT Hotline: 01805/181620 (7 Cent/30 Sek. Festnetz)