Die Personalsituation an deutschen Kliniken ist desolat. Ursache sind diverse Kostensenkungsmaßnahmen der Politik. ver.di fordert - neben mehr Lohn - die Deckel der Budgets zu lockern

Warnstreik im Städtischen Klinikum München. Kein Wunder, bei solcher Belastung

Zum Valentinstag gab es in diesem Jahr in rund hundert Krankenhäusern von Kiel bis Rosenheim Aufmerksamkeiten besonderer Art: 26000 Ärztinnen, Pfleger, Intensivschwestern und medizinisch-technische Assistenten, sowie der Hol- und Bringedienst legten für Stunden den Dienst am Patienten nieder und machten auf ihre "Arbeit an den physischen und psychischen Grenzen" aufmerksam, wie es bei einem Warnstreik in München hieß.

Mehr Patienten pro Pflegekraft, schwerere Fälle auf den Stationen und seit zehn Jahren keine real höheren Löhne - die Stimmung beim Personal an deutschen Kliniken steht nicht zum Besten.

Seitdem die Kostenerstattung für die Krankenhäuser Mitte der neunziger Jahre schrittweise abgeschafft wurde und einer festen Budgetierung wich, ist die Finanzlage der deutschen Kliniken reichlich schwierig. "Diesen Druck haben die Klinikleitungen vor allem an das Personal weitergegeben", sagt Niko Stumpfögger, ver.di-Referent für den Krankenhausbereich. Seit Mitte der neunziger Jahre wurde massiv abgebaut, laut Statistischem Bundesamt rund 100000 Stellen im Klinikbereich insgesamt, davon die Hälfte allein in der Pflege. Nach einem Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) ist der Personalkostenanteil bei den Krankenhäusern seit Jahren rückläufig. 1995 betrug er noch 66,8 Prozent, 2006 nur noch 62,9 Prozent. Heute versorgt eine Pflegekraft rund 25 Prozent mehr Fälle als noch 1995.

Verschärft hat sich die Lage nochmals mit der Einführung der so genannten Fallpauschalen. Danach wird jeder Fall, egal wie aufwändig in der Realität, nur noch pauschal vergütet. Die durchaus erwünschte Folge: Heute liegt ein Patient nur noch in der akuten Phase im Krankenhaus - im Schnitt 7,9 Tage, Mitte der neunziger Jahre waren es 11,4. Damit ist jedoch die Versorgung aufwändiger geworden. Alles in allem also mehr Stress für weniger Personal.

Weniger Personal als zu Zeiten des Pflegenotstands

Um die Misere zu mildern, fordert ver.di nun zweierlei: von der Politik eine Entdeckelung der Krankenhaus-Budgets. Und von den kommunalen Arbeitgebern nach Jahren der Bescheidenheit acht Prozent mehr Lohn - eine Krankenpflegerin auf Station, mindestens drei Jahre im Beruf, verdient an einem kommunalen Haus maximal 2366,96 Euro brutto. "Beschämend", wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sagt.

Mit der Forderung "Der Deckel muss weg" steht ver.di nicht allein da. Eine breite Phalanx zeichnet sich ab. Unter anderem mit der Bundesärztekammer oder der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), auch Arbeitgeber sprechen vereinzelt schon von einer Entdeckelung. Der Hauptgeschäftsführer der DKG, Georg Baum, erwartet von der Politik, sich "ihrer Verantwortung für die Finanzmisere" der deutschen Kliniken zu stellen. "Es ist erforderlich, dass die Grundlohndeckelung der Krankenhausausgaben abgeschafft wird." Und Ellen Paschke, Bundesvorstandsmitglied bei ver.di und für den Gesundheitsbereich zuständig, begründet, warum aus Gewerkschaftssicht die Krankenhausfinanzierung neu aufgestellt werden muss: "Wegen der Deckelung haben die Krankenhäuser heute weniger Pflegepersonal als 1991 zu Zeiten des Pflegenotstands. Unter diesem neuen Pflegenotstand leiden die Patientinnen und Patienten." Bei hoher Belastung würde das Krankenhauspersonal jedoch gute Arbeit leisten. "Und dafür steht ihnen auch gutes Geld zu. Überall wo ich hinkomme, sagen sie: Es reicht, jetzt sind wir mal dran", so Paschke weiter.

Krankenhäuser werden zweifach ausgebremst

Der Zeitpunkt für die Forderung könnte nicht besser sein. Bis Ende des Jahres muss die Bundesregierung die Krankenhausfinanzierung neu regeln. Der Hintergrund: Ursprünglich sollte ab 2009 die Budgetierung wegfallen, da dann die Umstellungsphase der Kostensteuerung in den Kliniken durch die Fallpauschalen als abgeschlossen gilt. "Doch angesichts steigender Krankenkassenbeiträge ist offen, ob dies umgesetzt wird", sagt Herbert Weisbrod-Frey, Referent für Gesundheitspolitik bei ver.di. "Im Moment werden die Krankenhäuser zweifach gebremst: mit den Fallpauschalen und dem Budget."

Das sagt die Politik

"Vor Entdeckelung der Budgets müssen die Länder ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen. Dann sind die diagnoseorientierten Fallpauschalen so kalkuliert, dass wirtschaftlich arbeitende Häuser ihr Personal ordentlich bezahlen können."

Elke Ferner (SPD), in der SPD-Fraktion zuständig für Gesundheit


"Die Union berät zurzeit die Krankenhausfinanzierung ab 2009. Mir ist klar, dass die Krankenhäuser finanziell sachgerecht ausgestattet werden müssen. Hierzu zählt für mich unter anderem die verbesserte Berücksichtigung von Kostensteigerungen, die nicht direkt von den Krankenhäusern zu beeinflussen sind."

Dr. med. Hans Georg Faust (CDU), stellvertretender Vorsitzender im Bundestagsausschuss für Gesundheit


"Die wirtschaftliche Lage zahlreicher Krankenhäuser ist im Jahr 2008 sicherlich schwierig. Anlass zur Schwarzmalerei besteht jedoch nicht. Dies auch, weil durchaus auch viele Krankenhäuser schwarze Zahlen schreiben. (...) Problematisch ist, dass die Länder ihrer Aufgabe, die Krankenhausinvestitionen zu finanzieren, vielfach nicht hinreichend nachkommen, so dass viele Krankenhäuser Einsparungspotentiale bei der Patientenversorgung erreichen müssen, um Investitionen tätigen zu können. Deshalb fordert der Bund, dass strukturelle Probleme der Krankenhausinvestitionsfinanzierung im Rahmen des in diesem Jahr anstehenden Gesetzgebungsverfahrens zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhäuser ab dem Jahr 2009 beseitigt werden."

Presseauskunft des Bundesministeriums für Gesundheit