Das Geschäft mit den Kreuzfahrten boomt. Die nautisch-technische Fachkraft aus Deutschland ist da heiß begehrt und verdient angemessen. Wer aber als Servicekraft auf einem Kreuzfahrtschiff anheuern will, sollte die Bedingungen an Bord und die des Vertrages kennen...

Ausgerechnet in den Bergen Thüringens kam man auf die Idee mit dem Meer. Die Kartei in der Arbeitsagentur Suhl war voll mit ausgebildeten Servicekräften aus der Hotel- und Gastronomiebranche, während im Emsland ein Kreuzfahrtschiff nach dem anderen vom Stapel gelassen wurde. Also erfand man die Plattform "Meer Arbeit". Am 23. September treffen sich Reedereien und Seeleute zum vierten Mal in Suhl, um Kontakt herzustellen zwischen ausgebildeten Fachkräften und deutschen sowie internationalen Reedereien. Zwar werden Arbeitslose hier auch beraten, Bedingung für einen Job an Bord sind aber Praxis und gute Zeugnisse. Auch die benachbarten Jobagenturen sind gehalten, mit unrealistischen Vorstellungen Marke "Traumschiff" im Vorfeld aufzuräumen. Denn neben der fachlichen Qualifikation muss eine Servicekraft an Bord vor allem eins sein: gut vorbereitet für ein Leben, wie es z. B. Hermano führt.

Anreisetag

Bis Mittags hat Hermano zehn bis zwölf Kabinen geputzt, gesaugt und gewischt; die Minibars sind aufgefüllt, die Betten bezogen, das Bad ist sauber, ein Handtuch zur Erbauung der Reisenden zur Schildkröte gefaltet. Für dieses Pensum benötigt Hermano sonst den üblichen Arbeitstag: von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Doch heute muss er sich - wie jede Woche einmal - noch mehr beeilen, denn die neuen Gäste sind im Anmarsch. Auch das Heranschleppen des Gepäcks der rund 3000 Gäste gehört zu den Aufgaben der Kabinenstewards, und die Arbeit muss schnell und geräuscharm erledigt werden. Hermano ist ein so genannter Drittstaatenseemann, mit Vertrag vom örtlichen Heuerbüro seiner Heimat Honduras.

Vor ein Uhr morgens kommt er heute nicht ins Bett seiner Mannschaftskabine, die er mit vier anderen Männern teilt und die zu seiner Sorge weit unterhalb der Wasserlinie liegt. Zu schaffen macht ihm auch die Einsamkeit - nach Haus telefonieren ist von Bord unglaublich teuer. Die Überstunden dagegen sind selbstverständlich. Einer wie Hermano verdient inklusive Trinkgeld maximal 800 US-Dollar (ca. 545 Euro) im Monat bei einer der weltweit größten US-amerikanischen Reedereien.

Dafür arbeitet er bis zu 80 Stunden in der Woche, sieben Tage, sechs bis acht Monate lang. Bis zur nächsten Heuer kann er für einige Wochen nach Haus, wo seine ganze Familie von ihm lebt. Er ist weder arbeitslosen- noch krankenversichert, im Notfall muss die Haftpflichtversicherung der Reederei einspringen. Hermano lebt vom Schiff in den Mund. Und von der Hoffnung, mal einen guten Job im Hotel zu bekommen. Bis dahin sieht er das Tageslicht nur, wenn die Außenkabinen dran sind. Oder auf dem Weg zum Supermarkt im nächsten Hafen. Mehr hat Hermano in zehn Jahren auf See von der Welt nicht gesehen.

Anheuern im luftleeren Raum

Auch für viele deutsche Arbeitnehmer klingt die Arbeit auf dem "Traumschiff" erstmal verlockend: Wer jung ist und ungebunden, freut sich auf die Qualifizierung an Bord, auf die fremden Länder, die neuen Erfahrungen. "Oder sie wollen Hartz IV entfliehen und kommen vom Regen in die Traufe", sagt Ansgar Knoch. Er arbeitet als Schiffsmechaniker bei der Hapag Lloyd, deren Kreuzfahrtflotte unter Bahama-Billigflagge fährt, und hat als stellvertretender Seebetriebsrat schon einiges gesehen. "Vielen nimmt man ihre besten Jahre, und am Ende marschieren die als Sozialfälle hier wieder raus," hat Knoch beobachtet. Immerhin war man hier nur zu zweit in der Kabine.

Seit einige Hamburger Seeleute aus dem Service mit ver.di ihren Vertrag durchgeklagt hatten, änderten die deutschen Reedereien ihren Kurs. Sie selbst schließen tariflich geregelte Verträge nur noch mit dem nautisch-technischen Fachpersonal ab. Bewerbungen von Servicekräften werden gleich weitergeleitet an eins der umstrittenen Recruiting-Büros. Die sind gewerkschaftlich nicht eingebunden und schlagen ihre Zelte gern in arbeitsrechtlich luftleerem Raum auf, z. B. auf Zypern oder den Bahamas, weit weg vom Zugriff der Gewerkschaften, weg von Steuern und Sozialversicherungen.

Auch auf den Aida-Schiffen, die unter italienischer EU-Flagge fahren, gibt es Zwei-Bett-Kabinen fürs Personal und Tarifverträge, abgeschlossen mit der jeweils zuständigen Gewerkschaft. Zwischen 1100 und 1300 Euro brutto verdient ein Koch, der aus der Küche so gut wie nie herauskommt, ein Barkeeper an die 1000 Euro; vielleicht durch Trinkgeld zweihundert Euro mehr bekommt ein Kabinensteward. Doch für jemand wie Hermano, den "Nichteuropäer", gelten die Standards der Internationalen Transport Worker's Federation ITF. Die sind als gewerkschaftliche Errungenschaft zwar Gold wert, definieren aber nur ein Mindestmaß. Viel Arbeit, wenig Geld und kaum Sicherheit. Und denkt man an die vielen freundlichen "Drittstaatenseeleute", die in diesem Sommer auf Kreuzfahrtschiffen ihre Gäste verwöhnt haben, ahnt man, welchen Kurs die Recruiting-Büros bevorzugen.

Reedereien dampfen ab

Auch sie hat Karl-Heinz Biesold vom Fachbereich Schifffahrt in ver.di genau auf dem Schirm. Sein Ziel ist, die sozialen und arbeitsrechtlichen Bedingungen international gültig zu machen und das weitere tarifrechtliche Abdampfen deutscher Reedereien unter Billigflagge zu verhindern. Er will Tarifverträge, Mindesturlaub, ebenso minimale Mitbestimmung in Form einer Bordvertretung, die u. a. für Fälle wie Mobbing, Beförderungsstau wegen Gewerkschaftszugehörigkeit oder gar sexueller Belästigung zuständig wäre. Die Fachmesse "Meer Arbeit" hält er für "eine interessante Sache", rät aber dringend, sich vor Vertragsabschluss mit einer Recruiting-Gesellschaft von ver.di beraten zu lassen, denn "während die nautisch-technischen Fachkräfte gut bezahlt werden, wird sich in den unteren Chargen schamlos bedient".

Biesold betont, "Verträge nur da zu unterschrieben, wo Gewerkschaften sind", da kann man sich auch an ihn wenden. Dem Gast an Bord empfiehlt er ein entsprechendes Schwätzchen mit Betroffenen. "Denn die müssen und werden alles dafür tun, dass Sie an Bord sorgenfrei leben können."

Tipps und Termine

23. September: Fachmesse "Meer Arbeit" in Suhl

16. Oktober: Demo in Brüssel vor der Kommission zur "Ausgestaltung der Rechte der Seeleute". Mitfahrgelegenheiten und Infos unter: Karl-Heinz.Biesold@verdi.de oder Tel. 030/6956-2630

Informationen zu Recruiting- Büros, Billigflaggenschiffen und allen Aktionen des Fachbereichs unter http://verkehr.verdi.de/schifffahrt

www.itfseafarers.org: englischsprachige Website für Seeleute zum Austauschen, mit Auskünften über Schiffe, über gewerkschaftliche Handlungsmöglichkeiten und Kontakt zur ITF

Lesetipp: Matthias Politycki In 180 Tagen um die Welt Das Logbuch des Herrn Johann Gottlieb Fichtl, Marebuch, 24,90 €