Ausgabe 11/2008
Rat bei Mobbing
Qualifizierte ehrenamtliche Berater/innen helfen in Bayern bei Konflikten
Andrew Rögele berichtet von einer jungen Mutter, die nach ihrer Rückkehr aus dem Mutterschutz vom Arbeitgeber gemobbt wurde: "Sie bekam nichts mehr zu tun und war verzweifelt." Rögele arbeitet im Bildungsbereich und ist ehrenamtlicher Konflikt- und Mobbingberater in Bayern, einer von 16. Von Konflikten in Betrieben, die sich immer mehr hochschaukeln, bis die Atmosphäre völlig vergiftet ist, können sie alle be richten.
Auch der Druck auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt Spuren. Beschäftigte, die nur über einen befristeten Arbeitsvertrag eingestellt sind, werden manchmal aus purer Verzweiflung zu Mobbern, weiß Güldane Akdemir, die als Angestellte im Kurhaus Bad Reichenhall arbeitet: "Sie wollen natürlich im Betrieb bleiben. Der Konkurrenzdruck ist sehr hoch. Häufig werden dann ältere Beschäftigte zu Mobbingopfern." Denn nur wenn sie gehen, wird ein Arbeitsplatz frei, auf den die befristet Beschäftigten hoffen.
Eine Frage des Klimas
Die Ursachen für Mobbing sind vielfältig. "Führungsschwache Vorgesetzte sind oft Ursache eines schlechten Betriebsklimas. Entweder lässt der Chef die Situation immer weiter laufen oder es ist sogar in seinem Interesse, wenn jemand deshalb kündigt", sagt Agneta Bischoff. Auch sie ist Mobbingberaterin im ver.di-Landesbezirk Bayern und hauptberuflich freigestellte Personalrätin in der Stadtverwaltung Nürnberg.
Im Oktober trafen sich die 16 Ehrenamtlichen zu einer zweitägigen Konferenz. Für ihren Einsatz in der Beratung haben sich alle in Seminaren beim Bildungswerk der ver.di in Bayern e.V. qualifiziert. Barbara Zahn, stellvertretende Landesbezirksleiterin in Bayern, hat das Netz der Berater/innen aufgebaut. Dafür wurde ein Modulsystem entwickelt, in dem vermittelt wird, welche Ursachen Mobbing hat, wie es sich äußert und welche Folgen daraus entstehen. Zu der Schulung gehören auch Gesprächsführung, Konfliktmanagement und Grundlagen aus dem Arbeits- und Sozialrecht. Zweimal im Jahr treffen sich die Ehrenamtlichen, tauschen Erfahrungen aus und qualifizieren sich weiter zu verschiedenen Themen.
Konflikte kosten
Ein gutes Betriebsklima sollte im Interesse jedes Vorgesetzten sein. "Beschäftigte, die durch Mobbing krank werden, kosten Geld. Dieses Bewusstsein müssen wir schärfen und wieder in die Betriebe bringen", betont Ingrid Bäumler, freie Dozentin im Bildungsbereich. Magengeschwüre, auch psychische Krankheiten sind nicht selten die Folge von Mobbing. "Die Betroffenen suchen die Schuld oft bei sich und sind verzweifelt", sagt Ingrid Bäumler.
Die Konflikt- und Mobbingberater versuchen, den Opfern im Gespräch ein Stück Selbstbewusstsein zurückzugeben, und machen ihnen Mut, mit den Vorgesetzten zu sprechen, die Betriebs- und Personalräte zu informieren oder auch fachärztlichen Rat bei gesundheitlichen Folgen einzuholen.
Manchmal kann der Konflikt nicht gelöst werden. "Aber die Kolleginnen und Kollegen finden meist einen anderen Umgang damit. Es ist ein schöner Erfolg für uns, wenn sie sich selbst daraus befreien können und es ihnen wieder gut geht", sagt Ingrid Bäumler. Die Mobbing- und Konfliktberater wünschen sich mehr Prävention in den Betrieben und Dienststellen. Klare Informationsflüsse und Arbeitsanweisungen, gute Arbeitsbedingungen und Vorgesetzte, die nicht wegschauen und Konflikte ernst nehmen, gehören ebenso dazu wie ein guter Zusammenhalt in den Belegschaften.SIL
Index "Gute Arbeit"
Für den vom DGB erstellten Index "Gute Arbeit" wurden 6800 Beschäftigte aus allen Regionen, Einkommensgruppen, Branchen, Betriebsgrößen und Arbeitsverhältnissen befragt. 15 Kategorien, von Qualifizierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bis Einkommen, flossen in den Index ein. Bewertet wurde nach einem Punktesystem: 0 bis 50 Punkte gilt als schlechte, 51 bis 80 Punkte als mittelmäßige und 81 bis 100 Punkte als gute Arbeit.
Als notwendig für gute Arbeit bewerteten die Befragten auf dieser Skala den Informationsfluss mit 69 Punkten, den Führungsstil mit 65 Punkten, die Betriebskultur mit 63 Punkten, die Kollegialität mit 77 Punkten und die Gestaltung der emotionalen Anforderungen mit 73 Punkten. Wenn die Werte für diese Kriterien im Betrieb stimmen, sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass es nicht zu Mobbing und unlösbaren Konflikten kommt.