ver.di legt einen Entwurf für ein deutsches Bibliotheksgesetz vor - um die Ausstattung zu verbessern

Beim Sparen denken Kommunalpolitiker oft als erstes an ihre Stadtbibliotheken. Sie gelten in Deutschland als "freiwillige Leistungen" - und weil viele Kämmerer pleite sind, wurde hier in den vergangenen Jahren radikal gekürzt. Beispiel Thüringen: Anfang der neunziger Jahre konnten die Bürger 1212 öffentliche Bibliotheken nutzen, heute sind es noch 306. In den westlichen Bundesländern ist der Kahlschlag zwar nicht ganz so extrem, aber auch hier wird massiv zusammengestrichen.

So hat heute etwa in Bayern über die Hälfte des Bibliothekspersonals keine fachliche Ausbildung mehr - und das, obwohl die Anforderungen immer weiter wachsen. Schließlich geht es nicht nur darum, Bücher anzuschaffen, zu verwalten und die Besucher zu beraten. Der Umgang mit Datenbanken, die Erschließung neuer Medien für die Nutzer und die Organisation von Veranstaltungen gehören längst zu den Erfordernissen eines modernen Bibliothekswesens.

Zugleich ist auch für den Kauf von Büchern, CDs und Zeitschriften immer weniger Geld da: In Sachsen-Anhalt und im Saarland stehen dafür kaum mehr als 60 Cent pro Einwohner und Jahr zur Verfügung.

Zentrale Bildungsorte

Anders als in den meisten anderen EU-Staaten gibt es in Deutschland bis heute kein Bibliotheksgesetz. Das muss sich ändern, fordern Bibliothekare seit über 30 Jahren. Schließlich ist die kostenlose Versorgung der Bevölkerung mit Büchern und anderen Informationsquellen eine wichtige Voraussetzung für ein demokratisches Gemeinwesen. Außerdem sind Bibliotheken neben Schulen zentrale Bildungsorte. "Es ist kein Wunder, dass alle Länder, die bei Pisa gut abschneiden, auch Bibliotheksgesetze haben", sagt Peter Mitnacht, Sprecher der ver.di- Arbeitsgruppe Archive, Bibliotheken, Dokumentationseinrichtungen.

In Finnland sind die Bibliotheken nicht nur gut ausgestattet, ihr Budget wurde auch während der Wirtschaftskrise in den neunziger Jahren kaum beschnitten. Darüber hinaus schreibt das finnische Gesetz eine ständige Verbesserung des Angebots und eine hohe Qualifikation des Personals vor. Etwa 80 Prozent der Finnen nutzen regelmäßig die kostenlosen Angebote einer Bibliothek, während es in Deutschland maximal 15 Prozent sind.

Vorbildlicher Entwurf

Die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" hat vor zwei Jahren klar die Einführung von Bibliotheksgesetzen empfohlen. Kurz vorher hatte bereits Bundespräsident Horst Köhler gemahnt: "Bibliotheken gehören in Deutschland auf die politische Tagesordnung." Thüringen ist das erste Bundesland, das tatsächlich ein Gesetz verabschiedet hat. Doch die CDU- Landesregierung spülte die ursprünglichen Entwürfe des thüringischen Bibliotheksverbands und der Opposition so weich, dass die Regelung kaum mehr als symbolische Bedeutung hat. Weder ist dort von einer Pflichtaufgabe des Staates die Rede noch von einer Mindestfinanzierung.

ver.di hat vor kurzem einen Entwurf für ein Bibliothekengesetz vorgelegt, das diesen Namen verdient. Es orientiert sich an der vorbildlichen Regelung in Südtirol. Der ver.di-Vorschlag legt nicht nur konkrete Mindeststandards fest - beispielsweise muss jeder Ort mit mehr als 3000 Einwohnern eine örtliche Bibliothek haben, in der es über 10000 Bücher oder andere Medien gibt. Auch die laufende Aktualisierung des Bestands und die Berücksichtigung aller neuen Entwicklungen auf dem Medien- und Informationsmarkt sollen vorgeschrieben werden. Darüber hinaus sei in Bibliotheken qualifiziertes Personal einzusetzen, für das es bundeseinheitliche Ausbildungsregeln geben sollte. Die ver.di-Arbeitsgruppe hat ihren Vorschlag an alle Landtags- und Bundestagsfraktionen verschickt. Nun wartet sie gespannt auf die Reaktionen.Annette Jensen