Punk oder Bank? ver.dianer beim Protest vor der Bundesbank

Ingo Koopmann ist klar, was auf ihn zukommt, wenn in drei Jahren die Bundesbankfiliale in Flensburg schließt: "Unsere finanzielle Belastung wird steigen, auch meine Frau wird ihren Arbeitsplatz verlieren." Der Angestellte wird umziehen müssen, denn auch den für ihn noch erreichbaren Filialen in Lübeck und Kiel droht das Aus. Die Deutsche Bundesbank will bundesweit mehr als ein Viertel ihrer 47 Filialen schließen. Über die Niederlassungen werden Handel und Banken mit Bargeld versorgt, es wird gezählt, auf Echtheit geprüft, beschädigte Münzen und Scheine werden aus dem Verkehr gezogen. Sechs Filialen und die Betriebsstelle Lörrach sollen 2012 schließen, weitere sechs im Jahr 2015. Zudem gibt es Pläne für ein Bargeldzentrum in der Region Rhein-Ruhr, das würde 2015 fünf weitere Filialen in NRW ersetzen. Betroffen wären laut Bundesbank 731 Mitarbeiter - die des Bargeldzentrum Rhein-Ruhr nicht mitgerechnet.

Zwangsversetzungen drohen

Anfang September wurden die Sparpläne bekannt. Betriebsbedingte Kündigungen schließt die Bundesbank bisher aus. "Aber der Vorstand wird definieren, welche Filiale Bedarf hat", sagt Bernd Kurczyk, Vorsitzender der ver.di-Bundesfachgruppe Deutsche Bundesbank. "Wir haben Angst vor Zwangsversetzungen." Noch vor 20 Jahren gab es über 200 Filialen. Würden die Pläne umgesetzt, bliebe in Schleswig-Holstein keine einzige. "Die Bundesbank zieht sich aus der Fläche zurück", sagt Kurczyk. Dabei sei sie gesetzlich verpflichtet, überall ausreichend Bargeld in guter Qualität zur Verfügung zu stellen.

Die Bundesbank begründet den Schritt mit "Überkapazitäten". Neue Maschinen könnten mehr Bargeld bearbeiten. Außerdem folge sie einer Vereinbarung der Euro-Länder, der zufolge auch private Firmen Banknoten prüfen sollen. Doch auch Handel und Banken kritisieren ihr Vorhaben. Der Zentrale Kreditauschuss, ein Zusammenschluss von Spitzenverbänden der Banken und Sparkassen, klagt bereits jetzt über "unzumutbare Zustände" bei der Bargeldabwicklung in einigen Regionen. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels befürchtet längere Transportwege und höhere Kosten. Betrugsfälle bei privaten Dienstleistern zeigten, dass es zur Bundesbank momentan keine sichere Alternative gebe.

Protestaktion wie noch nie

Gegenüber Personalvertretern hatte Bundesbankpräsident Axel Weber noch im März gesagt, es bestehe kein Druck, eine größere Zahl von Filialen zu schließen. Eine Handvoll war damals im Gespräch. "Wir können es nicht nachvollziehen", sagt Beate Müller, Personalratsvorsitzende der Dresdner Filiale. "Wir haben gut zu tun." Für zwei Drittel der rund 70 Mitarbeiter in Dresden ließe sich eine Vorruhestandsregelung finden. "Übrig bleiben Frauen mit Kindern, Alleinerziehende, viele Teilzeitbeschäftigte." Viele Bundesbankmitarbeiter pendeln seit Jahren. "Als im Osten die D-Mark kam, später der Euro, haben wir selbstverständlich Überstunden gemacht, bei Bedarf Schichtdienst", sagt Bärbel Biehl aus Erfurt. Ihre Filiale bleibt, aber Biehl, Mitglied der ver.di-Bundesfachgruppe, sagt: "Jetzt weicht die Loyalität der Demotivation."

Als ver.di und die VdB-Bundesgewerkschaft im Oktober zu einer Protestaktion vor der Zentrale in Frankfurt am Main aufriefen, kamen 1 500 Beschäftigte aus ganz Deutschland. Das gab es noch nie. Mittlerweile hat der Vorstand die ursprünglichen Pläne modifiziert. Im September hatte er noch die Schließung von 14 Filialen im Jahr 2012 und weiteren neun 2015 ins Auge gefasst. Die Vorstandsbeschlüsse unterliegen der Mitwirkung des Hauptpersonalrats. Endgültige Beschlüsse sind laut Bundesbank Ende November vorgesehen. Annegret Böhme