200 neue Arbeitsplätze entstehen in Rüsselsheim. Das klingt gut. Tatsächlich werden jedoch mehr als 400 alte vernichtet. Das Medienhaus Südhessen (Darmstädter Echo) und die Verlagsgruppe Rhein Main (Mainzer Allgemeine Zeitung) schließen ihre Druckhäuser in Darmstadt und Mainz und drucken ab Herbst 2010 gemeinsam im "Druckzentrum Rhein-Main" in Rüsselsheim. Viele Drucker und Helfer, Beschäftigte in der Betriebsinstandhaltung und Weiterverarbeitung haben ihre Kündigung bereits erhalten. Sie können sich allenfalls auf einen der neuen Arbeitsplätze bewerben. Und es kommt noch mehr: Für das neue Druckzentrum soll kein Tarifvertrag mehr gelten.

Dagegen protestierte ver.di Anfang November in der Stadthalle Rüsselsheim. Die Gewerkschaft fürchtet, dass andere Zeitungsverlage im Rhein-Main-Gebiet diesem Beispiel folgen werden, um "ihre Vision von einer deregulierten und ungeschützten Arbeitswelt zu verwirklichen", so der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Verleger und Arbeitgeber verstünden Tarifverträge nicht mehr als Instrument im fairen Wettbewerb der Betriebe, sondern versuchten stattdessen, sich durch Tarifflucht Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten auf Kosten der Beschäftigten zu verschaffen.

Demo durch die Stadt

Unter dem Motto "Wir schlagen Alarm" machte ver.di bei einer Demonstration durch die Innenstadt mit anschließender Kundgebung vor der Geschäftsstelle des neuen Druckzentrums deutlich, dass das Verhalten von Arbeitgebern nicht mehr nur eine betriebliche Angelegenheit ist. "Wer Tarifflucht begeht", so Frank Werneke, "gehört öffentlich entlarvt". Keine Frage, Tarifverträge sind wichtig, um Beschäftigten einen Mindestschutz zu geben. Doch Tarifpolitik allein werde Probleme wie den Einsatz von Leiharbeitern bis an die Druckmaschinen und in die Redaktionen hinein oder Ausgliederungen in tariflose Gesellschaften nicht lösen, sagt Werneke. Hier sei auch der Gesetzgeber gefragt.

ver.di fordert deshalb den gesetzlichen Mindestlohn, die Gleichstellung von Leiharbeitern, aber auch einen anderen Kündigungsschutz: Betriebsbedingte Kündigungen sollten nur dann möglich sein dürfen, wenn zwingende wirtschaftliche Gründe nachgewiesen würden. Und selbst das wird nicht reichen. Öffentliche Proteste, aber auch mehr Konfliktfähigkeit in den Betrieben werden nötig sein, um weitere, ähnliche nachteilige Entwicklungen nicht nur für die Beschäftigten in der Druckindustrie zu verhindern.

Warnstreiks der Belegschaft

Seit Wochen kämpft die Darmstädter Belegschaft mit öffentlichen Protesten und befristeten Warnstreiks für einen Sozialtarifvertrag. "Nachdem das Geld für das Druckzentrum ausgegeben ist, soll die Belegschaft mit Brosamen abgespeist werden", kritisiert der Betriebsratsvorsitzende Thomas Boyny. 20 Millionen Euro hat das Medienhaus Südhessen in das 100 Millionen Euro teure Druckzentrum investiert, für einen Sozialplan fehlt indes das Geld. Bei der Mainzer Verlagsgruppe wurde ein Sozialplan unterzeichnet. "Das ist zwar ein Erfolg für uns", sagt der Betriebsratsvorsitzende Alfred Roth, "doch täuscht es nicht darüber hinweg, dass die Arbeitsplätze ein für allemal vernichtet sind".