Anton Schlecker wird mehr Öffentlichkeit bekommen, als ihm lieb ist. "Bis der Asphalt kocht", so lange wollen die Schlecker-Beschäftigten für die Sicherheit und die Verbesserung ihrer Arbeitsplätze protestieren. Das zumindest kündigt Achim Neumann an, der für ver.di die überwiegend weiblichen Mitarbeiter des Schlecker-Konzerns betreut. Und Öffentlichkeit mag Anton Schlecker gar nicht. Waren es vor zehn Jahren die skandalösen Arbeitsbedingungen und die Nichtzulassung von Betriebsräten, die dem Herrn über 52000 Beschäftigte den Ruf einbrachten, einer der miesesten Arbeitgeber des Landes zu sein, machte er diesem Ruf unlängst wieder alle Ehre: Durch ver.di wurde öffentlich, dass er eine Firma für seine neuen XL-Filialen gegründet hat, in denen er ehemalige Beschäftigte seiner AS-Filialen über eine Leiharbeitsfirma zu XS-Löhnen beschäftigt (ver.di PUBLIK 12/2009).

Inzwischen hat sich Anton Schlecker zwar von der Praxis mit der Leiharbeitsfirma verabschiedet und Gesprächsbereitschaft signalisiert, sucht man jedoch im Internet den Auftritt der Leiharbeitsfirma Meniar auf, schwebt dort wie ein Menetekel einzig der Satz "Hier wird gearbeitet". Gearbeitet wird an den Schlecker-Praktiken tatsächlich jedoch seit eh und je am Stammsitz des Unternehmens in Ehingen. Der amtlich notierte Geschäftsführer von Meniar, Alois Over, jahrelang Schlecker-Personalchef, war allerdings niemals bei Meniar in Zwickau erschienen, sondern hat alles von langer Hand von Ehingen aus gesteuert. Und diese Hand ist nicht kürzer geworden.

Es ändert sich nämlich vorerst nichts für die mittlerweile mehr als 4 300 Beschäftigten, die zu Meniar-Bedingungen arbeiten. Für die meisten Frauen hat sich der Stundenlohn von 12,70 Euro auf 6,78 Euro halbiert. Und selbst wenn diese Frauen - wie bereits geschehen - wieder AS-Verträge oder XL-Verträge mit dem alten Stundenlohn erhalten, haben sie im Monat längst noch nicht wieder ihr altes Einkommen. Schlecker hat das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen und die Arbeitszeit gekürzt. "Das Sparziel, das Schlecker mit der Leiharbeit verfolgte, bleibt das gleiche", sagt Achim Neumann.

Kopf raus aus dem Sand

1000 AS-Filialen hat Schlecker innerhalb eines Jahres geschlossen, 300 XL-Märkte eröffnet. Mona Frias, Schlecker-Betriebsrätin in Berlin, musste vorerst sechs Schließungen hinnehmen, ein XL-Markt wurde in ihrem Zuständigkeitsbereich noch nicht eröffnet, aber im März erwartet sie gleich mehrere Umwandlungen. Aus ihrer Sicht stecken noch zu viele Schlecker-Frauen "den Kopf in den Sand, Hauptsache sie haben ihren Job". Eine frühere Aushilfe habe sich mit einer Festanstellung locken lassen und erst mit der ersten Abrechnung gemerkt, dass sie nur noch die Hälfte verdient. Und noch mehr Verkäuferinnen wachen auf. Achim Neumann freut sich über den Zustrom: "Pro Monat treten gerade 100 Frauen bei uns ein." 10500 Mitglieder hat ver.di jetzt bei Schlecker und 160 Betriebsräte. Eine Schlecker-Tarifkommission wurde gegründet, ihre wesentlichen Forderungen: ein Beschäftigungssicherungsvertrag für die noch AS-Beschäftigten, die Übernahme zu gleichen Bedingungen bei XL, die Zulassung von Betriebsräten allerorts und ein Sozialtarifvertrag bei unvermeidbaren Schließungen. Anton Schlecker muss zudem mit Nachzahlungen an die Ex-Leiharbeiterinnen und an die Sozialversicherungen in Millionenhöhe rechnen: Die Meniar-Verträge beruhten auf einem Tarifvertrag der sogenannten christlichen Gewerkschaft CGZP. Diese wurde bereits in der zweiten Instanz für nicht tariffähig erklärt, eine endgültige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht noch aus. Petra Welzel