Ruhestand sieht anders aus. Ulrike Timmers an ihrem Arbeitsplatz

VON Claudia von Zglinicki

Ulrike Timmers ist 58 und seit 33 Jahren Erzieherin. Eine lange Zeit. Und schon seit 16 Jahren leitet sie den klipp&klar-Kindergarten in Aachen, eine Modelleinrichtung der Stadt für das klipp&klar-Lernkonzept.

Ulrike Timmers ist begeistert von dem Konzept, das aus Österreich kommt. Und von ihrem Beruf, sonst wäre sie wohl nicht so lange dabeigeblieben. Sie sagt: "Ich habe das Gefühl, wir sind die erste Generation von Frauen in diesem Bereich, die bis zur Rente arbeitet." Früher haben Erzieherinnen eher aufgehört, ist ihre Erfahrung. "Aber wir machen heute weiter, das ist auch bei uns in der Einrichtung so. Dabei sind wir schon ein relativ altes Team." Sie lacht, weiß sie doch, wie gut ihre Kolleginnen - und Kollegen - sind. Ja, sie hat auch zwei Männer im Team - und 13 Frauen. 15 Beschäftigte arbeiten auf zwölf Vollzeitstellen. Sie sind zuständig für 75 Kinder in vier Gruppen, zwei davon auch mit Winzlingen unter drei Jahren. Und mit den Kleinen beginnen oft die gesundheitlichen Probleme für das pädagogische Personal.

Alles muss man selber machen

In einer der beiden Gruppen mit Kindern unter drei arbeiten zwei Erzieherinnen, die über 50 sind. Vor ihnen hat Ulrike Timmers den größten Respekt. Sie bewundert alle, die die Kleinsten betreuen. Eigentlich, meint sie, sollten die Frauen - und auch viele Jüngere schon - nicht mehr über Bauteppiche krabbeln, nicht ständig Kinder heben und herumtragen müssen. "Wir haben bei unserer Arbeit doch immer ein Kind auf der Hüfte. Gesund ist das nicht."

Eine Beurteilung der gesundheitlichen Gefährdung der Erzieher/innen wurde in der Aachener Kita schon vor dem Abschluss des Tarifvertrags über den Gesundheitsschutz 2009 erarbeitet. Das ist gut, findet die Kita-Leiterin, "nur mit der Umsetzung hapert es noch". Darum müssen sich die Beschäftigten dann offenbar selbst bemühen. Immerhin, sie haben für einige Erwachsene ergonomisch geeignete Stühle in ihrer Kita - die Kolleginnen haben das durchgesetzt.

In der Stadt Aachen werden zurzeit verschiedene Stühle für Erzieher/innen getestet. Für Ulrike Timmers reicht das nicht aus. Bei den Streiks in der Tarifauseinandersetzung des Sozial- und Erziehungsdiensts im vorigen Jahr hat sie sich geärgert, wenn es in der Öffentlichkeit immer nur um die kleinen Stühlchen ging und übersehen wurde, was sie für wichtiger hält: dass viele Kolleginnen nach einem Arbeitstag im Kindergarten mit immerwährender Konzentration und ständiger Aufmerksamkeit für die Kinder abends völlig erschöpft sind, vor allem wenn sie allein für eine Gruppe da sein müssen.

Klar, geeignete Stühle seien wichtig, fügt sie hinzu. Auch wenn sie selbst mit den niedrigen klarkommt, "ich bin schließlich nur 1,60 Meter groß, aber eine Kollegin von uns misst 1,80..." Um allen gerecht zu werden, steht in einem ihrer Gruppenräume inzwischen ein Wickeltisch, der hoch- und runtergefahren werden kann. Nützlich ist auch die "Aufstiegshilfe" für die etwas Größeren unter den Kleinen. Über die Stufen können sie selbst hochklettern und müssen nicht mehr auf den Wickeltisch gestemmt werden. Eine Erleichterung.

Vieles ist vorstellbar...

... sagt Ulrike Timmers, wenn es um alternsgerechtes Arbeiten geht. "Die Frage ist: Wie kann man das finanzieren? Viele Probleme ließen sich lösen, wenn wir mehr Personal hätten." Mit der Handlungshilfe des DGB für alternsgerechtes Arbeiten in Kitas (s. Artikel) will sie sich beschäftigen, beteiligt war Aachen nicht daran. Doch die Stadt und ihr Personalrat gründen derzeit die betriebliche Kommission für Gesundheitsschutz in den Kitas. Noch im April fährt Ulrike Timmers zu einem ver.di-Seminar nach Bielefeld, um sich darüber zu informieren. Danach muss die vorhandene Gefährdungsbeurteilung überarbeitet werden, denn: "Darin kommen die psychischen Belastungen der Erzieherinnen durch die enorme Arbeitsverdichtung zu kurz." Sie erwähnt eine Kollegin aus ihrem Team, die schon lange krank ist - auch wegen des gestiegenen Arbeitsdrucks. Der Krankenstand steige überhaupt. Aber Krankheit und Urlaub über die Schließzeiten der Kitas hinaus seien in der Personalplanung nicht einkalkuliert. Ein krankes Kind zu Hause, eine Fortbildung oder eine Schwangerschaft auch nicht: "Wir haben keine Luft mehr für all das. An 150 Arbeitstagen im Jahr fehlt bei uns mindestens eine - oder einer. Wenn mal wirklich alle da sind, ist das ein Festtag." So geht es nicht mehr lange weiter, urteilt Ulrike Timmers. "Alternsgerechtes Arbeiten - da werden wir gute Konzepte brauchen. 60 Kindertagesstätten hat die Stadt Aachen. Viele Leiterinnen sind mein Jahrgang." Viele Erzieherinnen auch.