Ausgabe 05/2010
Der schnelle Weg zum kleinen Geld
VON Gudrun Giese
Banken haben zu allen Zeiten ihr Geld lieber an Reiche und Großunternehmen verliehen als an weniger Bemittelte und Existenzgründer. Doch es gibt andere Wege der Finanzierung und Kreditbeschaffung als auf den Hochzinskredit einer Geschäftsbank zu setzen. Das Zauberwort heißt Mikrokredit.
Die Ausgangsbasis kann so aussehen: Freiberufler, Anfang 40, braucht 21 000 Euro zur Ablösung seines Dispokredits und für eine Investition in seine Firma. Im Gegenzug bietet er einen Zinssatz von 5,4 Prozent über eine Laufzeit von 60 Monaten. Diese Angaben fanden sich Mitte April 2010 auf der Seite der Online-Kreditbörse Smava (für "smart value", kluge Werte) und werden von vielen aufmerksam gelesen. Der Kredit Suchende hat jedenfalls elf Tage vor Ablauf der Frist Offerten über 14 000 Euro, die durch 34 Einzelgebote zusammenkommen. Er wird sein Kreditziel vermutlich erreichen.
Zinsen werden ausgehandelt
Smava erlebt derzeit, drei Jahre nach dem Start, einen wahren Run. Anleger und Kreditnehmer finden zunehmend den Weg zu dieser Art von Geldanlage beziehungsweise Kreditgewährung. Denn das in Berlin ansässige Unternehmen verbindet die Unkompliziertheit bei der Kreditvermittlung mit recht hohen Sicherheitsstandards. Bankrotteure können hier nicht auf einen Kredit hoffen, denn die Bonität potentieller Kreditnehmer wird überprüft.
Anleger müssen andererseits keine Angst vor dem Totalausfall eines Gläubigers oder dem Zusammenbruch der gesamten Kreditbörse haben, denn Smava sichert die Einlagen ab. "Das Besondere bei Smava ist, dass Anleger Geld direkt für konkrete Kreditprojekte zur Verfügung stellen", heißt es in der Selbstdarstellung des Unternehmens. Zudem rechnet sich das Aushandeln des Zinses für beide Seiten. Bei einer durchschnittlichen Rendite von 7,3 Prozent im Jahr 2009 haben nicht nur die Anleger einen guten Schnitt gemacht; die Kreditnehmer zahlen auf diese Weise deutlich weniger als bei Banken. Mehr als 10 000 Anleger und rund 3 000 Kreditnehmer haben so in den zurückliegenden drei Jahren knapp 25 Millionen Euro bewegt. Gebühren werden für beide Seiten erst fällig, wenn ein Kredit zustande gekommen ist: für Kreditnehmer zwei bis 2,5 Prozent des Kreditbetrags, für Anleger einmalig vier Euro pro gekaufter Kreditforderung.
Andere Modelle
Der zweite große Online-Kreditvermittler heißt Auxmoney, sitzt in Düsseldorf und unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von Smava. Zunächst müssen alle, die hier einen Kredit von Privat an Privat geben oder nehmen wollen, 9,95 Euro Gebühren zahlen - unabhängig davon, ob das Geschäft zustande kommt. Bonitätsprüfungen sind nicht obligatorisch, sondern werden auf Wunsch offeriert, eine Einlagensicherung gibt es ebenfalls nicht. Kein Wunder, dass sich auf der Auxmoney-Website kein Hinweis auf positive Presseberichte oder Tests findet. Smava schmückt sich mit Lob und dem Attribut "mehrmaliger Testsieger".
Während Smava und Auxmoney viele Kredite für persönliche Bedürfnisse - sei es eine Waschmaschine oder eine Reise - vermitteln, geht es beim Deutschen Mikrofinanz-Institut ausdrücklich um die Unterstützung von Selbstständigen und Kleinstunternehmen. Bis zu 100 000 Euro innerhalb eines Jahres können Kreditnehmer/innen aus dem Mikrofinanzfonds erhalten, der von den Bundesministerien für Arbeit und Soziales und für Wirtschaft und Technologie, von der GLS Bank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau getragen wird. Verschiedene Organisationen in den Bundesländern sind gleichzeitig für die Qualifizierung der Kredit nehmenden Kleinstunternehmen zuständig, errechnen den Finanzbedarf und gewährleisten später die Rückzahlungskontrolle (ver.di PUBLIK 6-7/2009).
Doch wo immer eine gute Idee umgesetzt wird, entsteht auch ihre negative Verzerrung: Beim Online-Kreditportal Elolly etwa ging es allein darum, möglichst viele Daten zu sammeln und von allen Teilnehmer/innen eine Gebühr von 9,50 Euro zu kassieren - ohne Gegenleistung. Die Website (und offensichtlich auch das Angebot) ist inzwischen aus dem Netz genommen.
Banken entstellen die Idee
Doch auch Banken setzen inzwischen auf das Geschäft mit den Mikrokrediten - und verraten dabei die Grundidee. Statt armen Menschen und Kleinstunternehmen zu einem günstigen Kredit zu verhelfen, wie es Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus in Bangladesch mit seiner Grameen-Bank vorexerziert hat, verdienten viele Banken in immer mehr Ländern gerade "mit Kleinstdarlehen das große Geld", schrieb die Süddeutsche Zeitung Mitte April. Zinssätze von mehr als 100 Prozent seien dafür üblich. Diese Entwicklung kommentierte Yunus mit der Bemerkung, er habe Mikrokredite geschaffen, um Kredithaie zu bekämpfen, nicht aber, um neue heranzuzüchten. Der Friedensnobelpreisträger forderte kürzlich auf einer Konferenz in Bangladesch, die Zinssätze auf Mikrokredite zu vereinheitlichen.
Allen Interessenten an Mikrokrediten - gleichgültig ob potentielle Anleger/innen oder Kreditnehmer/innen - ist zu Vorsicht und umfangreicher Information zu raten. Auf den Internetseiten der Anbieter finden sich viele Angaben; darüber hinaus empfiehlt sich ein Blick in Vergleichstests oder eine Nachfrage bei der Verbraucherzentrale.