Lösung gefunden: Felizitas Ißelmann und Lars Wille

VON Heike Langenberg

An das Pokalspiel zwischen Bayern München und Wacker Burghausen im August 2007 erinnert sich Lars Wille noch genau. Nicht, weil der Fußballrekordmeister nur knapp einer Niederlage gegen den damaligen Regionalligisten entgangen ist. Es war der letzte Tag, an dem der heute 28-Jährige klar sehen konnte. Am nächsten Morgen hatte er Einblutungen der Netzhaut, eine nicht sehr häufige Nebenwirkung seiner Diabetes. Seither ist sein Sehvermögen stark eingeschränkt.

Nach rund eineinhalb Jahren, in denen er wegen der Behandlung seiner Krankheit nicht berufstätig sein konnte, arbeitet er mittlerweile wieder bei der Stadtverwaltung Oberhausen. Daran hat Felizitas Ißelmann mitgewirkt. Als Schwerbehindertenvertrauensperson kümmert sie sich um die Belange der rund 130 Schwerbehinderten unter den 2240 Beschäftigen.

Fachmann für Vergnügungssteuer

Gemeinsam mit dem Berufsförderungswerk Düren hat sie nach Möglichkeiten gesucht, einen Arbeitsplatz im Sachgebiet Vergnügungssteuer nach Lars Willes Bedürfnissen umzugestalten. Eine Kamera, mit der er Dokumente auf einem Bildschirm darstellen und dort lesen kann, eine Tastatur mit übergroßen Buchstaben und Computerprogramme mit Vorlesefunktion oder verschiedenen Möglichkeiten, Schrift auf dem Bildschirm darstellen zu können, erleichtern ihm die Arbeit. Doch auch die Kolleg/innen müssen helfen. Akten, die mit Kugelschreiber beschriftet sind, kann er nur schwer zuordnen. Eine Beschriftung mit einem dicken Filzstift macht Lars Wille das Arbeitsleben leichter. "Im Endeffekt ist es egal, wo man arbeitet. Man ist froh, dass man überhaupt wieder arbeiten gehen darf", sagt Lars Wille. Er habe gelernt, sich auf das Positive zu konzentrieren.

Die Schwerbehindertenvertrauensperson arbeitet unabhängig vom Betriebs- oder Personalrat. In ihrer Funktion wird Felizitas Ißelmann vom Arbeitgeber an allen Gesprächen beteiligt, die personelle oder organisatorische Änderungen mit sich bringen. Außerdem berät sie kranke Kolleg/innen. Am häufigsten geht es um Erkrankungen des Knochengerüsts. "Ich stelle aber fest, dass auch die Folgen psychischer Belastungen zunehmen", sagt Ißelmann. Aufgrund von Ausgliederungen werden bei der Stadtverwaltung fast nur noch Bürotätigkeiten - überwiegend mit Publikumskontakt - erledigt. Außerdem gehören 18 Kindertageseinrichtungen und die Feuerwehr dazu. Das macht es schwierig, die Aufgaben zu wechseln, wenn erkrankte Kolleg/innen sie nicht mehr oder nur noch mit Einschränkungen erledigen können.

Im Hamburger Hafen

Das Problem kennt auch Detlef Baade, Schwerbehindertenvertrauensperson beim Container-Terminal Eurogate im Hamburger Hafen. 1000 Beschäftigte arbeiten hier. Er ist für die rund 70 Schwerbehinderten da. Die Belegschaft hat wieder ein niedrigeres Durchschnittsalter - nach Einstellungen junger Leute in den "Boomjahren". Durch gute Prävention sind Berufsunfälle bei der oft körperlich anstrengenden Arbeit im Schichtdienst selten geworden. Meist sind es Krankheiten, die hier die Leistungsfähigkeit einschränken.

"Verschieden zu sein, ist normal", sagt Detlef Baade und versucht, für jeden eine Beschäftigung zu finden. Einen Weg gebe es immer, sagt er. Einem Sehbehinderten verhalf Bade zu einem übergroßen Bildschirm, daraufhin konnte der seinen Job weiter ausüben, ein anderer bekam eine übergroße Tastatur. Wer nicht mehr im Kerngeschäft von Eurogate eingesetzt werden kann, wechselt zur Tochter Eurogate Terminal Service Gesellschaft. Hierher wurden ausgegliederte Dienstleistungen zurückgeholt, zum Beispiel der Fahrdienst, das Magazin und der Sicherheitsdienst. In diesen Bereichen finden viele Schwerbehinderte neue Arbeit. So wurden mit Unterstützung des Integrationsamtes Hamburg Busse behindertengerecht umgebaut, die im Shuttledienst Kolleg/innen zu ihren Einsatzorten im Hamburger Hafen fahren - Behinderte wie Nichtbehinderte, bei Fahrern wie Fahrgästen. "Allerdings zu anderen Gehaltsstrukturen. Jeder kann nach seinem Leistungsvermögen eingesetzt werden, also gibt es keine Entlassungen - und Schutz vor Hartz IV", sagt Detlef Baade. Denn er weiß, wie schwer es gerade für Schwerbehinderte ist, einen neuen Job zu finden.


Achtung: Soziale Schieflage

In Leipzig soll das erst 2009 eingeführte Sozialticket wieder abgeschafft werden. Einsparung für die Stadt: 1,57 Millionen Euro, Verlust an Mobilität für viele Menschen.

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Im Herbst wird gewählt

Sie kümmern sich in Betrieben und Dienststellen um die Belange von Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen. Sie achten darauf, dass die Vorschriften eingehalten werden, stellen Anträge auf Maßnahmen zugunsten der Schwerbehinderten, nehmen Wünsche, Kritik und Verbesserungsvorschläge auf und besprechen sie mit dem Arbeitgeber.

Alle vier Jahre werden die Schwerbehindertenvertretungen von den Schwerbehinderten und den ihnen Gleichgestellten im Betrieb gewählt, in diesem Jahr zwischen dem 1. Oktober und dem 30. November.

Voraussetzung: In Betrieb oder Dienststelle sind wenigstens fünf Schwerbehinderte oder Gleichgestellte nicht nur vorübergehend beschäftigt. Die Wahl wird von der amtierenden Schwerbehindertenvertretung einberufen. Gibt es keine, können drei Wahlberechtigte, Betriebs- oder Personalrat oder Integrationsamt zur Wahlversammlung einladen. Kandidieren können alle dauerhaft in Betrieb oder Dienststelle Beschäftigten über 18.

ver.di unterstützt neu gewählte Vertrauenspersonen mit Schulungen, außerdem gibt es auf allen Ebenen Netzwerke von Vertrauenspersonen.

www.sbv-wahlen-2010.de