Da ging nicht mehr viel: Warnstreik am 27. Mai in Berlin-Tegel

VON Silke Leuckfeld

Ohne sie werden weder Gepäck noch Fracht transportiert, kein Fluggast am Abfertigungsschalter der Airlines wird bedient, kein Flugzeug übers Rollfeld gezogen - ohne die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste in Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld geht es nicht. ver.di fordert für die Angestellten der Firma Globe Ground Berlin (GGB) und deren Billigtochter Ground Service International (GSI) einen gemeinsamen Tarifvertrag. Rund 1700 Beschäftigte arbeiten für den Marktführer GGB/GSI in Berlin. Während bei der GGB mit rund 1300 Mitarbeiter/innen ein Einstiegsgehalt von 1401 Euro brutto gezahlt wird, erhalten die GSI-Beschäftigten lediglich 1118 bis 1413 Euro. Und: Sie bekommen fast ausschließlich Teilzeitarbeitsverträge. Wegen des Schichtdienstes ist es ihnen jedoch nicht möglich, an einem zweiten Arbeitsplatz noch ein paar Euro dazuzuverdienen. Viele der GSI-Beschäftigten müssen am Ende des Monats deshalb zusätzlich Sozialleistungen beantragen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Erfolg durch Organizing

Das war die Ausgangslage, als ver.di im Juli 2009 das Organizing-Projekt für die- sen Bereich startete. Das Prinzip haben die amerikanischen Gewerkschaften entwickelt. Im Kern geht es darum, dass durch steigende Mitgliederzahlen die Beschäftigten selbst handlungsfähig werden und erfolgreich für ihre Rechte kämpfen können - unterstützt von ihrer Gewerkschaft.

Inzwischen konnte ver.di bei der GGB/GSI 40 Prozent neue Mitglieder gewinnen, die Beschäftigten haben sich organisiert. Dabei haben sich die Arbeitnehmer/innen der GGB solidarisch mit denen der GSI gezeigt. "Sie haben verstanden, dass sie sich organisieren müssen, um das Lohnniveau der GSI zu heben", sagt Knut Steinkopf, ver.di-Organizer. "Je höher der Lohn bei der GSI steigt, umso weniger tief kann er bei der GGB fallen." Denn das Ziel des Unternehmens war klar: Die GGB-Beschäftigten sollten an die GSI angeglichen werden, die "Besserverdienenden" an die mit den noch niedrigeren Löhnen, nicht umgekehrt.

In beiden Gesellschaften fanden sich schnell Aktive, die gemeinsam Aktionen planten und mit ihren Kollegen in die Tat umsetzten. Daran waren die ver.di-Vertrauensleute in beiden Betrieben und der gemeinsame Betriebsrat beteiligt. Einen Teilerfolg haben sie schon erreicht: Im Herbst 2009 wurde bekannt, dass der Eigentümer WISAG die GGB in einzelne Sparten aufteilen wollte. Damit wäre der GGB-Tarifvertrag außer Kraft gesetzt worden. Durch ihre Proteste gelang es der Belegschaft, den Plan zumindest vorerst zu vereiteln. Die Arbeitgeber machten einen Rückzieher. Statt - wie bisher geplant - zum 1. April 2010 soll das Unternehmen jetzt zum 1. Januar 2011 aufgeteilt werden. Vorausgegangen war eine Kraftprobe zwischen den Beschäftigten und der Geschäftsleitung. An einer Abteilungsversammlung sollten die Beschäftigten nur außerhalb ihrer Arbeitszeit teilnehmen. "Es kamen aber 60 von den 80 Leuten, die für den Dienst eingeteilt waren", sagt Knut Steinkopf. "Danach war auch der Geschäftsleitung klar, dass die Beschäftigten handlungsfähig sind."

Mit zwei Warnstreiks haben die Frauen und Männer auf den zwei Flughäfen die Forderung nach einem gemeinsamen Tarifvertrag für beide Firmen unterstützt. Zugleich forderten sie, dass mit den Armutslöhnen bei der GSI endlich Schluss sein muss. Hülya Metin aus dem Bereich Passage am Flughafen Tegel sagte vor der Kamera von streik.tv: "Am Monatsende gehe ich zum JobCenter und verlange einen Zuschuss zu meiner Miete. Es ist wirklich peinlich, in meiner Uniform dort zu sitzen." Eine Kollegin, die im Schichtdienst arbeitet, wurde gezwungen die Mietkosten zu senken und umzuziehen, weil sie als "Hartz IV-Aufstockerin" ebenfalls Zuschüsse zur Miete beantragen musste.

ver.di geht es angesichts solcher Bedingungen um eine tabellenwirksame Löhnerhöhung von mindestens 150 Euro. Für die Geschäftsleitung entstand jedenfalls eine völlig neue Situation: Bei einem Warnstreik verlud der Personalleiter selbst die Koffer der Reisenden. Controller versuchten hektisch, die Streikenden bei der Abfertigung der Fluggäste zu ersetzen. Besonders gut lief es nicht.

Endlich die Einigung

Der Druck hat ausgereicht. Für beide Gesellschaften konnte eine Einigung erzielt werden. „Die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen erhalten circa 150 Euro mehr, die in den oberen deutlich weniger“, sagt ver.di-Verhandlungsführer Michael Walter. Die Beschäftigten der GSI sollen ebenfalls unter den Tarifvertrag fallen, allerdings gibt es noch keine Einigkeit über die Ausgleichstage für die Schichtarbeit. „Ein paar Detailfragen sind noch nicht geklärt“, so Walter. Ziel der Gewerkschaft ist die Auflösung der Billigtochter GSI, alle Beschäftigten sollen in die GGB wechseln. Unstimmigkeiten gibt es noch darüber, wie viele Mitarbeiter wie lange noch in der GSI bleiben sollen. Der Tarifvertrag würde bis zum 31. Dezember 2011 laufen. Die ver.di-Tarifkommission hat dem Abschluss zugestimmt, nachdem sich zwei Drittel der ver.di-Mitglieder, die für GGB und GSI arbeiten, in einer Abstimmung dafür entschieden haben. Beim Konkurrenten, dem Bodenverkehrsdienstleister Acciona, ist noch keine Einigung in Sicht.